Multiple Sklerose: Sicher durch den Straßenverkehr

Menschen mit Multipler Sklerose dürfen trotz Krankheit Auto fahren. Je nachdem, welche körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen vorliegen, kann es jedoch sinnvoll sein, die Fahreignung testen zu lassen.

Für den Gesetzgeber rechtfertigt eine MS-Diagnose keineswegs automatisch eine Einschränkung der Fahreignung, also der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr. Anders verhält es sich beispielsweise nach einem Schlaganfall: Davon Betroffene dürfen sich nur nach erfolgreicher Therapie und sobald die Rückfallgefahr gebannt ist, wieder ans Steuer setzen. Nach einem Schädel-Hirn-Trauma ist es Patienten in der Regel erst drei Monate später gestattet, wieder ein Fahrzeug zu führen. Die gleiche zeitliche Regelung gilt für Personen mit Epilepsie nach jeder Umstellung der Medikation. Welche neurologischen Störungen oder Krankheiten zu welchen Einschränkungen der Fahreignung führen, lässt sich im Detail der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) entnehmen.

Selbstprüfungspflicht des Patienten

Der behandelnde Arzt unterliegt der Pflicht zur Verschwiegenheit und darf auch kein amtliches Fahrverbot aussprechen. Patienten sollten jedoch wissen, dass die Fahrerlaubnisverordnung ihnen eine gesetzliche Selbstprüfungspflicht auferlegt. Nach Paragraph 2 FeV muss jeder Verkehrsteilnehmer selbst Vorsorge für eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr tragen. Zudem darf laut Straßenverkehrsgesetz (StVG) nur derjenige ein Fahrzeug steuern, der die notwendigen körperlichen und psychischen Voraussetzungen erfüllt. Bei Menschen mit Multipler Sklerose können diese Voraussetzungen, je nach Symptomatik und Stärke der Beschwerden, durchaus eingeschränkt sein. Ob man mit MS sicher Auto fahren kann, hängt also von der individuellen Situation ab – und die kann sehr unterschiedlich ausfallen. In einer im Jahr 2015 durchgeführten Umfrage von REHADAT klagten drei von vier Arbeitnehmern mit MS über Fatigue, knapp zwei von drei Betroffenen über kognitive Einschränkungen und etwa ein Drittel über Koordinationsstörungen. Mehr als ein Viertel der Befragten fühlte sich durch Sehstörungen oder Muskelschwäche eingeschränkt. Etwa jeder vierte Erwerbstätige hatte mit einer erhöhten Muskelspannung oder mit Depressionen zu kämpfen.

Im Zweifelsfall ein Gutachten einholen

Wer trotz deutlicher Einschränkungen der Leistungsfähigkeit Auto fährt, verliert bei einem selbstverschuldeten Unfall nicht nur den Führerschein, sondern auch seinen Versicherungsschutz und kann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, ein verkehrsmedizinisches Gutachten bei einem Experten einzuholen. Der Neurologe und Verkehrsmediziner Dr. Klaus Gehring aus Itzehoe erstellt solche Expertisen im Auftrag von Patienten, ihres behandelnden Arztes oder der Fahrerlaubnisbehörde. Sein Gutachten enthält neben einem Befund zur Kraftfahreignung auch eine Diagnose des Patienten. Dafür werden unter anderem die Funktionsfähigkeit von Armen und Beinen, das Gleichgewicht, die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit sowie die Aufmerksamkeit und Belastbarkeit getestet. Ob Beeinträchtigungen der Sehschärfe vorliegen oder Doppelbilder wahrgenommen werden, überprüft ein Augenarzt.

Schwächen lassen sich ausgleichen

Probleme bereiten nach Auskunft von Klaus Gehring vor allem die oft nur kurze Aufmerksamkeitsspanne von MS-Patienten sowie die Fatigue. K.-o.-Kriterien sind diese Symptome aber nicht und meist lassen sie sich durch Verhaltensänderungen in den Griff bekommen, sagt der Verkehrsmediziner. Bei längeren Strecken empfiehlt er Betroffenen, häufig Pausen einzulegen und Ablenkungen beim Fahren zu vermeiden. Auch Störungen der Bewegungskoordination und Gleichgewichtsstörungen können die Fahrleistung mindern. Bei starker Ausprägung ist das Motorradfahren oft nicht mehr möglich und das Bedienen der Armaturen im Auto ist deutlich erschwert. Die meisten motorischen Einschränkungen lassen sich aber durch Hilfsmittel oder technische Umbauten am Fahrzeug kompensieren, sagt Gehring und fügt hinzu: Eine Umrüstung auf Handgas und Handbremse hilft, wenn man beispielweise wegen einer Schwäche oder Spastik im Bein die Pedale nicht mehr zielsicher bedienen kann. Bei leichten motorischen Problemen biete ein Fahrzeug mit Servolenkung und Automatikgetriebe deutliche Vorteile.

Fast jeder zehnte MS-Patient lässt heute sein Fahrzeug technisch umrüsten, wie die REHADAT-Umfrage zeigte. Was viele nicht wissen: Wer ein Fahrzeug zum Erreichen des Ausbildungsortes oder Arbeitsplatzes benötigt, hat Anspruch auf Förderung. Darüber, welche Leistungen bezuschusst werden, informiert die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung im Detail. Zudem stehen Verkehrsmediziner wie Klaus Gehring dem Patienten nicht nur als Gutachter zur Seite, sondern sie informieren und beraten auch im Hinblick auf verkehrsmedizinische Fragen.