Parkinson: Dank Sturzprophylaxe sicherer durch den Alltag
Wer an Parkinson erkrankt ist, hat Anspruch auf eine ambulante Ergo- und Physiotherapie. Weil viele das nicht wissen, bleiben Chancen zur Sturzprophylaxe im Alltag oft ungenutzt.
Yvonne Köppen ist Ergotherapeutin an den Segeberger Kliniken, einer Fachklinik für Parkinson und Bewegungsstörungen, die von der deutschen Parkinson Vereinigung zertifiziert ist. Dort hilft sie Patienten, die in ihrer alltäglichen Handlungsfähigkeit, etwa bei Haus-arbeiten, eingeschränkt sind. Ihr Ziel: Parkinson-Erkrankte sollen sich selbst versorgen und gesellschaftlich aktiv sein können. Damit das gelingt, arbeitet Köppen – sie hat sich ganz auf Parkinson und Bewegungsstörungen spezialisiert – eng mit Physiotherapeuten zusammen. Deren Fokus liegt darauf, ihren Patienten typische Bewegungsabläufe des normalen Alltags auch weiterhin oder nach einer Krise wieder zu ermöglichen. Ein wichtiges Thema für Ergotherapeuten wie auch für Physiotherapeuten ist die Sturzprophylaxe. Im Verlauf einer Parkinson-Erkrankung treten oft Symp-tome auf, die das Sturzrisiko erhöhen. Dazu zählt das plötzliche Einfrieren von Bewegungen oder die nachlassende Fähigkeit, den Körper aufrechtzuhalten. Das kann vor allem bei rutschigen Böden oder hinderlichen Türschwellen und Teppichkanten zu Unfällen führen. Köppen trainiert mit ihren Patienten Verhaltensweisen, die ihnen helfen, solche Blockaden zu vermeiden oder gegebenenfalls aufzulösen und gibt Tipps für das häusliche Umfeld.
Neue Bewegungen lassen sich lernen
Seit 18 Jahren hilft die Ergotherapeutin Menschen mit Parkinson, sicherer durchs Leben zu kommen. Es gibt heute immer mehr Möglichkeiten, Patienten medikamentös gut einzustellen. Dennoch erfordert das Fortschreiten der Erkrankung irgendwann unterstützende Ergo- und Physiotherapie
, sagt Köppen. Dass die dabei eingesetzten übenden Verfahren zunehmend an Bedeutung gewinnen, zeigten ausgebuchte Schulungen für Fachpersonal, Patienten und Angehörige. Oft seien Drehbewegungen und Rückwärtsschritte die Auslöser für einen Sturz, berichtet die Ergotherapeutin. Ein Schritt rückwärts lässt sich meist vermeiden. Bei Drehungen schauen wir gemeinsam mit dem Patienten, wie sich die Bewegung sicherer ausführen lässt und üben das, bis es klappt.
Vielen Patienten wird wegen eines zu geringen Blutdrucks gelegentlich schwarz vor Augen. Hilfreich seien in diesen Fällen oft Bauchbinde oder Stützstrümpfe, sagt Yvonne Köppen. Sie dienen der Kompression der Gefäße und reduzieren Blutdruckschwankungen – das Risiko zu stürzen sinkt. Besonders wichtig seien aber nicht nur die Hilfsmittel selbst, sondern vor allem deren richtige Handhabung, betont Köppen. Weil viele Patienten nicht wissen, wie Rollstuhl oder Rollator richtig benutzt werden, stürzen sie immer wieder.
In diesem Fall seien Hilfsmitteltrainings eine gute Option. Yvonne Köppen: Fallen Patienten häufig, während sie etwas vom Boden aufheben, kann eine Greifzange sinnvoll sein.
Mithilfe von mitgebrachten Smartphone-Fotos oder Zeichnungen kann Köppen oft einen persönlichen Blick in das häusliche Umfeld werfen. Dann versucht sie gemeinsam mit den Patienten, die vorhandenen Hilfsmittel noch besser auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen. Sie berichtet: Ein Patient fiel häufig in der Küche um. Anhand einer technischen Zeichnung seiner Küche stellten wir dann die häusliche Situation bei uns in der Klinik nach und entwickelten für ihn optimale Bewegungsabläufe.
Stichwort Küche: Schwierig sei etwa für viele Betroffene, einen Topf vom Herd zu nehmen und sich damit zu drehen, um ihn an den Tisch zu bringen. Diesen Bewegungsablauf übt Köppen mit den Betroffenen, bis er verinnerlicht ist. Manchmal geht es auch gemeinsam in die Stadt: Dort trainiert man zusammen, wie sich die Busfahrt inklusive Einsteigen auch mit Rollator sturzfrei meistern lässt.
Im Takt gegen die Blockaden
Neben dem korrekten Gebrauch von Hilfsmitteln kommt es nach Ansicht von Köppen vor allem darauf an, Stress zu vermeiden. Denn Stress führt leicht zu einer Überforderung des Gehirns und ist eine der Hauptursachen für plötzliche Blockaden, die Fachleute als Freezing bezeichnen. Auflösen lassen sie sich oft, wenn der Patient oder ein Angehöriger anfängt, mit lauter Stimme zu zählen
, sagt die erfahrene Therapeutin. Hilfreich sei zudem per Kopfhörer eingespielte Marschmusik. Wenn eine andere Person den Takt vorgibt, sollte dieser einfach und klar formuliert sein. Nicht ratsam sei es, in einer Blockadesituation wortreich auf einen Patienten einzureden. Köppen betont: Wer Parkinson hat, muss sich auf eine Sache konzentrieren. Er geht oder er unterhält sich. Beides zusammen – laufen und parallel zuhören oder plaudern, führt oft zur Blockade oder verstärkt diese.
Liegen bereits kognitive Einschränkungen vor, seien auch Angehörige und Pfleger gefragt, sagt die Ergotherapeutin. Sie müssten den Parkinson-Erkrankten immer wieder daran erinnern, nicht allein zur Toilette zu gehen oder den Rollator nur unter Aufsicht zu nutzen. Aber auch in dieser Situation könne eine ambulanter Ergo- und Physiotherapie viel Gutes bewirken, sagt Yvonne Köppen und fügt hinzu: Durch gezieltes, regelmäßiges Training und die gekonnte Nutzung von Hilfsmitteln lassen sich zahlreiche Stürze im privaten Umfeld vermeiden.