Epilepsie: Individuelle Betreuung in der Schwangerschaft
Einige Epilepsie-Medikamente können in der Schwangerschaft zu embryonalen Fehlbildungen führen. Wenn die Therapie frühzeitig individuell auf die Patientin abgestimmt wird, lässt sich das Risiko fast normalisieren.
Epilepsien treten in unterschiedlichen Frequenzen und Ausprägungen von Anfällen auf. Vielfältig sind auch die Ursachen der Erkrankung: Sie reichen von genetischen Faktoren über Stoffwechselstörungen und Fehlbildungen des Gehirns bis hin zu Verletzungen durch Unfälle oder andere Krankheiten.
Die richtige Therapie finden
Umso wichtiger ist es, dass jede Epilepsie-Therapie individuell auf die Patienten abgestimmt ist, je nach Ursache, Art und Häufigkeit der Anfälle. In einigen Fällen müssen dafür mehrere Medikamente herangezogen werden, bis das richtige Präparat gefunden ist. Das gilt insbesondere bei einer Schwangerschaft. Epilepsie-Patientinnen mit Kinderwunsch sollten darüber unbedingt mit ihrem Neurologen sprechen
, rät Dr. Kin Arno Bohr, NTC-Neurologe aus Lüneburg. Je früher der Arzt informiert ist, desto besser kann er die Patientin betreuen und hat Zeit, sie, falls erforderlich, therapeutisch umzustellen.
Dabei sollte die passende Therapie möglichst vor der Schwangerschaft gefunden werden, um einen Wechsel währenddessen zu vermeiden.
Medikamente der Wahl
Das Risiko für Fehlbildungen beim Kind besteht bei Epilepsie-Medikamenten vor allem in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten. Während dieser Zeit kann es zu verschiedenen körperlichen Schäden kommen. Dazu gehören Wirbelspalten, auch offener Rücken
genannt (Spina bifida), Herzscheidewand-Defekte, Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalten, Fehlbildungen der Harnröhre oder der Hauptschlagader und auch Gehirnschäden. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem eine aktuelle französiche Studie, bei der fast 1,9 Millionen Schwangerschaften zwischen 2011 und 2015 analysiert wurden. Besonders groß sei das Risiko bei dem Wirkstoff Valproat, schreiben die Wissenschaftler. Valproat wird aus diesem Grund kaum noch verschrieben, vor allem nicht für Frauen im gebärfähigen Alter. Kein erhöhtes Risiko fand die Studie bei Wirkstoffen wie Lamotrigin oder Levetiracetam – und bestätigte damit die Ergebnisse früherer Untersuchungen. Diese Substanzen sind schon seit Längerem die erste Wahl für Frauen mit Kinderwunsch und in der Schwangerschaft.
Risiken abwägen
Generell gilt, dass das Risiko für mögliche Auswirkungen der Therapie auf das Kind gegen das Risiko durch einen Anfall abgewogen werden muss
, sagt Bohr. Optimal ist natürlich, wenn die Patientin mit einem für den Embryo unbedenklichen Wirkstoff anfallsfrei ist.
Sich deswegen Sorgen zu machen, sei durchaus normal, sagt der Lüneburger Neurologe. Nachdrücklich rät er jedoch davon ab, die verschriebenen Medikamente eigenmächtig abzusetzen. Wenn es ohne medikamentöse Kontrolle zu einem Anfall in der Schwangerschaft kommt, erhöht das zum einen die Gefahr von Stürzen und damit verbundenen Verletzungen von Mutter und Kind, zum anderen können große Krampfanfälle zu einer Sauerstoffunterversorgung des Embryos führen – mit möglichen schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, mehr als durch Medikamente.
Falls die Patientin nur mit einem Wirkstoff anfallsfrei ist, der mit Fehlbildungen in Verbindung gebracht wird, ist die allen Schwangeren angeratene Einnahme von Folsäure umso wichtiger. Damit lässt sich das Risiko für einige Fehlbildungen deutlich senken.
Therapie regelmäßig überprüfen
Wichtig ist es dem Neurologen zufolge, dass bei einigen Medikamenten der Wirkstoffspiegel im Verlauf der Schwangerschaft schwanken kann. Von daher sei es eventuell notwendig, in jedem Schwangerschaftsdrittel die Spiegel zu messen und die Medikamentendosis gegebenenfalls anzupassen, sagt Dr. Bohr. Nach der Geburt des Kindes muss die Dosisänderung dann wieder rückgängig gemacht werden.
Aus diesem Grund rät er Epilepsie-Patientinnen unbedingt dazu, während der Schwangerschaft und auch später in der Stillzeit regelmäßig den Arzt zu Rate zu ziehen. Es gibt inzwischen sehr gute Verfahren zur pränatalen Vorsorge. Diesbezüglich können der Neurologe und der Gynäkologe gemeinsam die Patientin optimal beraten und während der Schwangerschaft begleiten.