chronisch krank: Kleiner Held auf Rädern

Als Noah 14 Monate alt war, wurde bei ihm eine Spinale Muskelatrophie vom Typ 1, die schwerste Form der neuromuskulären Erkrankung, festgestellt. Doch dank moderner Therapien und dem unermüdlichen Einsatz seiner Eltern hat er sich zu einem glücklichen und ziemlich mobilen Vierjährigen entwickelt.

Noah hat ein Faible für schnelle Flitzer. Rennautos sind sein bevorzugtes Spielzeug. Manchmal liegt der blonde Junge eine ganze Stunde lang mit den kleinen bunten Wagen auf dem Boden und lässt sie durchs Zimmer sausen. Dann strahlen seine blauen Augen.

Doch am allerliebsten flitzt Noah mit seinem Rolli selbst durch die Gegend. Dass er das kann, kommt seiner Mutter Simone manchmal wie ein Wunder vor. Denn ihr Sohn hat Spinale Muskelatrophie (SMA) vom Typ 1. Als die Ärzte vor gut drei Jahren die düstere Diagnose stellten, glaubte kaum einer, dass Noah seinen zweiten Geburtstag erleben würde.

Diagnose mit 14 Monaten

»Die ersten Monate schien sich unser Baby ganz normal zu entwickeln«, erzählt Simone Quint. »Erst als Noah mit einem Jahr bei der U6 keine Muskelreflexe zeigte und weder laufen noch krabbeln konnte, wurde unsere Kinderärztin unruhig.« Sie schickte die junge Familie, die in der Nähe von Trier lebt, in die Uniklinik Mainz, wo die Ärzte rasch auf SMA tippten. Ein Gentest bestätigte ihre Vermutung drei Wochen später. Da war Noah gerade mal 14 Monate alt.

»Nachdem wir den schlimmen Befund erhalten hatten, verschlechterte sich Noahs Zustand rapide«, erinnert sich seine Mutter. »Er konnte kaum noch seine Arme und Beine bewegen und auch keinen Becher mehr halten, was zuvor gut geklappt hatte.« Ein Medikament gegen SMA war damals in Deutschland noch nicht zugelassen. Wohl aber in den USA: Dort war vor Kurzem der Wirkstoff Nusinersen auf den Markt gekommen, der bei manchen Patienten den Verlauf der Krankheit offenbar stoppen konnte. Noahs Eltern meldeten ihren kleinen Jungen für ein Härtefallprogramm an. Dadurch durfte Noah das vielleicht lebensrettende Medikament bereits vor dessen europäischer Zulassung erhalten.

»Am 22. Februar 2017 – also ein paar Monate, bevor der Wirkstoff auch in Deutschland offiziell verfügbar wurde – erhielt Noah seine erste Lumbalpunktion, über die das Medikament in sein Rückenmark gelangte«, erzählt Simone Quint. Weitere Behandlungen zwei, vier und acht Wochen später folgten. Inzwischen erhält Noah seine Spritze alle vier Monate. Er muss dafür jedes Mal für drei Tage ins gut 200 Kilometer entfernte Krankenhaus in Essen gebracht werden.

Täglich wird geübt

Doch das nehmen seine Eltern gerne in Kauf. »Wir hatten großes Glück, denn Noah gehört zu den Kindern, bei denen das Medikament gut anschlägt«, sagt Simone Quint. Nach der dritten oder vierten Spritze fing er wieder an, Arme und Beine zu bewegen. Und seit seiner vorletzten Behandlung im August kann Noah sogar robben.

Eine Gentherapie gegen SMA, wie sie in den USA und demnächst vermutlich auch in Europa möglich ist, kommt für Noahs Eltern bis auf Weiteres nicht in Betracht. »Derzeit scheinen uns die Risiken zu groß zu sein«, sagt Simone Quint. »Wir sind jetzt erst einmal glücklich darüber, eine Therapie gefunden zu haben, die Noah hilft und zudem nur wenige Nebenwirkungen zu haben scheint.«

Doch natürlich reicht die medikamentöse Behandlung allein nicht aus. Sowohl vormittags im Kindergarten, den Noah seit seinem zweiten Lebensjahr besucht, als auch nachmittags erhält er je ein Mal pro Woche Physio-, Ergo- und Logotherapie. Und auch seine Mutter, die bis zu seiner Geburt selbst als Physiotherapeutin gearbeitet hat, übt täglich mit ihm. »Noah braucht den ständigen Input«, sagt Simone Quint. »Wenn wir ein oder zwei Tage lang nichts tun, merken wir sofort, wie seine Kräfte nachlassen.«

Noch schlafen Noahs Beine

Für seine Mutter ist der Alltag mit Noah daher durchaus anstrengend. Jede Nacht steht sie zwei oder drei Mal auf, um ihren kleinen Sohn umzulagern, damit er sich nicht wundliegt. »Tagsüber schafft Noah es zwar, sich allein zu drehen«, erzählt sie. »Doch nachts fehlt ihm dazu die Kraft.« Auch sie selbst fühlt sich manchmal am Rande ihrer Kräfte. Doch ihr Ziel, ihrem Sohn ein weitgehend normales und vor allem glückliches Leben zu ermöglichen, lässt sie immer wieder über sich selbst hinauswachsen.

Auch dann, wenn Noah nachfragt, was ihm eigentlich fehlt. Noch weiß der Vierjährige wenig von seiner lebensbedrohlichen Erkrankung. »Mein Mann und ich haben versucht, ihm die SMA so kindgerecht wie möglich zu erklären«, sagt Simone Quint. »Noah weiß, dass seine Beine momentan schlafen. Und dass wir alles dafür tun, um sie aufzuwecken.« Anfangs störte sich Noah sehr daran, dass er nicht laufen konnte wie andere Kinder. Doch inzwischen hat er sich daran gewöhnt. Er hat ja seinen Rollstuhl. Und auch diesen Flitzer liebt er sehr. »Alle anderen können laufen«, sagt er. »Aber ich kann dafür richtig gut Rollstuhl fahren.«

Mehr über Noah und sein Leben kann man auf Facebook erfahren, unter dem Suchtext Noah – Ein kleiner Held rollt durch die Welt.