Polyneuropathien: Ein Kind trotz Krankheit

Patientinnen mit einer entzündlichen Polyneuropathie müssen wegen ihrer Erkrankung nicht auf Kinder verzichten. Das empfiehlt Professor Helmar Lehmann, Facharzt für Neurologie am Universitätsklinikum Köln.

Herr Professor Lehmann, kann eine Schwangerschaft der Auslöser für eine akute entzündliche Polyneuropathie wie das Guillain-Barré-Syndrom sein?

Beim GBS weiß man, dass es durch Infektionen, etwa eine starke Erkältung oder Grippe, ausgelöst werden kann. Andere Ursachen, wie Impfungen oder auch Schwangerschaften, sind sehr selten. Das heißt, grundsätzlich muss keine werdende Mutter Angst davor haben, an einer akuten entzündlichen Polyneuropathie zu erkranken. Das Gleiche gilt auch für Frauen, die schon mal ein GBS hatten. Sind sie geheilt, ist das Risiko während der Schwangerschaft das gleiche wie für Frauen, die noch nie erkrankt waren, also extrem niedrig.

Und ist bei einer Chronischen Inflammatorischen Demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie eine Schwangerschaft möglich?

Wenn eine CIDP-Patientin ein Kind bekommen möchte, sollte sie wissen, dass die Erkrankung nicht vererbbar ist und somit nicht auf das Kind übertragen wird. Auch auf die Fruchtbarkeit wirkt sich die Krankheit nicht aus. Damit steht der Umsetzung eines Kinderwunsches im Grunde nichts entgegen – vorausgesetzt, die Betroffene fühlt sich körperlich in der Lage, die möglichen Strapazen einer Schwangerschaft durchzustehen. Wenn nötig, sollte sie sich rechtzeitig an einen Ergo- oder Physiotherapeuten wenden, um sich trotz eventueller körperlicher Einschränkungen optimal auf Schwangerschaft, Geburt und die Monate danach vorzubereiten und sie zu bewältigen.

Welche Therapien kommen während der Schwangerschaft infrage?

Leider kann es während der Schwangerschaft zu einer Verschlechterung der CIDP-Erkrankung kommen. Die hormonelle Umstellung stellt keinen Schutz dar. Das ist anders als etwa bei einer Multiplen Sklerose, bei der während der Schwangerschaft meist deutlich weniger Krankheitsschübe auftreten. Wie sich dagegen eine entzündliche Polyneuropathie entwickelt, ist weitaus schwerer vorherzusagen. Sie sollte daher unbedingt weiterhin effektiv behandelt werden. Immunglobuline sind hier die Therapie der Wahl. Sie sind nebenwirkungsarm und gehen auch nicht auf das Kind über. Kortison und Immunsuppressiva können erheblich mehr Nebenwirkungen haben, daher sollte ihr Einsatz im Einzelfall immer mit dem behandelnden Neurologen besprochen werden. Aufgrund möglicher Blutungskomplikationen kommt eine Blutwäsche, die sogenannte Plasmapherese, während der Schwangerschaft nur in absoluten Notfällen infrage.

Was sollten CIDP-Patientinnen mit Kinderwunsch noch wissen?

Wie bei allen chronischen Erkrankungen, insbesondere solchen mit starken körperlichen Beeinträchtigungen, sollten sich die Frauen im Vorfeld einer Schwangerschaft an ihre Krankenkasse wenden. Dort erfahren sie, ob und in welchem Umfang sie Anspruch auf Unterstützung im Alltag haben, zum Beispiel durch eine Pflegekraft oder eine Haushaltshilfe. In der meist anstrengenden ersten Zeit mit dem Säugling kann das eine große Unterstützung sein.