Parkinson: Die Seele tanzt und lacht

Die Diagnose Parkinson hat Renate Baum-Knauss vor vier Jahren den Boden unter den Füßen weggezogen. Wiedergewonnen hat sie ihre Lebensfreude durch ein spezielles Tanztraining für Parkinson-Erkrankte.

Anfangs war es für mich sehr schwer zu akzeptieren, dass die Parkinson-Erkrankung mich in meinem Leben dauerhaft einschränken würde, sagt Renate Baum-Knauss. Mit 73 Jahren erhielt sie die Diagnose und fiel unmittelbar danach in eine tiefe Traurigkeit. Um sich zu erholen und neu zu orientieren, entschied sich die Patientin aus Grenzach-Wyhlen für einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer psychosomatischen Rehaklinik. Dank der dort angebotenen Therapien und kreativen Kurse ging es ihr psychisch schnell wieder besser. Wieder daheim, machte sich Renate Baum-Krauss auf die Suche nach einem Hobby, das ihr auf angenehme Weise helfen sollte, besser mit der Krankheit fertig zu werden.

Beweglich und kreativ

Über eine Bekannte, die ebenfalls an Parkinson erkrankt war und nicht weit von hier in Basel wohnt, bin ich dann zum Tanzen gekommen, berichtet Renate Baum-Knauss. Dance for Parkinson Schweiz heißt der Tanzkurs, den die beiden Frauen vor gut einem Jahr für sich entdeckten. Die ehemalige Profitänzerin und Dramaturgin Petra Rusch und die Projekt- und Eventmanagerin Stephanie Gehlen bieten den speziell auf die Bedürfnisse von Parkinson-Patienten zugeschnittenen Tanzkurs seit 2017 an. Der Kurs steht Menschen aller Alters- und Krankheitsstufen offen
und soll ihre Lebensqualität erhöhen. Denn Tanzen, das zeigen immer mehr Studien, verbessert nicht nur Beweglichkeit, Gleichgewicht und Wahrnehmung, es steigert auch das Selbstvertrauen und die geistige Leistungsfähigkeit und wirkt gegen depressive Verstimmungen. Darüber hinaus regt das Training die Kreativität an und fördert soziale Kontakte.

Mit der Welle schwimmen

Bereits als junge Frau bewegte sich Renate Baum-Knauss gern zu Musik. Heute ist das Tanztraining in Basel der Höhepunkt ihrer Woche. Sie sprüht dort vor Energie und begeistert mit ihrer positiven Ausstrahlung andere Teilnehmer. Sie sei so vital und mit ihr könne man immer lachen, bekommt sie oft zu hören. Sie selbst erklärt es so: Wenn ich etwas mache, das mir Freude bereitet, fühle ich mich lebendig, vergesse mein Alter und meine Beschwerden. Bewegungen beim Tanzen fielen ihr leichter als andere körperliche Aktivitäten, sagt Baum-Knauss: Ich fühle mich dann so, als ob ich auf einer Welle schwimme. Ganz anders morgens, wenn sie im Bett ihre tägliche Gymnastik mache. Sie sei dann zunächst stocksteif und jede Bewegung falle ihr schwer. Regelmäßige Physiotherapie und auch Fahrradfahren tun ihr gut, doch an die wohltuende Wirkung des Tanzens reichen sie bei Weitem nicht heran. So kommt es, dass Baum-Knauss nach dem Training oft noch an der Tramhaltestelle Kirschgarten in Basel ein paar Tanzschritte für sich allein übt – ohne auf die fragenden Blicke von Passanten zu achten.

Von Profitänzern lernen

Der Kurs basiert auf dem amerikanischen Programm Dance for PD® (Parkinson Disease). Es wurde vor fast 20 Jahren in New York von Olie Westheimer, Geschäftsführerin der Brooklyn Parkinson Group sowie der weltbekannten Mark Morris Dance Group entwickelt und ist inzwischen in mehr als 25 Ländern verbreitet. Das Programm nutzt die Bewegungsexpertise ausgebildeter Tänzer: Mit ihrem Wissen über das Dehnen und Kräftigen von Muskeln, aber auch über Balance, Rhythmus und Ästhetik können sie ideale Trainer für Menschen mit Parkinson sein. Diese müssen ebenso wie professionelle Tänzer immer wieder bestimmte Bewegungen und Bewegungsabläufe erlernen und sich später daran erinnern. Profitieren sollen die Erkrankten aber nicht nur von den technischen Fähigkeiten der Profis. Sie vermitteln ihren Schülern auch die ästhetische Seite des Tanzens – die Fähigkeit, eigene Gefühle und Stimmungen in der Bewegung auszudrücken.

Lächelnd nach Hause

Der Unterricht von Petra Rusch, die sich in New York zur Trainierin für Dance for PD® hat ausbilden lassen, orientiert sich im Aufbau an einer klassischen Ballettstunde. Jede einzelne Körperpartie wird spezifisch trainiert, damit die komplexen Bewegungssequenzen hinterher leicht fallen. Die ersten 30 Minuten übt die Gruppe sitzend im Kreis. Danach folgt das Training an der Ballettstange. Anschließend bewegen sich die Tänzerinnen und Tänzer im Raum. Bei den Übungen spielt weder das Stadium der Erkrankung eine Rolle noch die Tagesform. Es ist immer mindestens eine Assistentin dabei, die sich um alle kümmert, die Unterstützung benötigen. Auch Rollstuhl, Rollator oder einfache Gehhilfen sind kein prinzipielles Hindernis für die Teilnahme am Training. Wir legen unser Augenmerk nur auf das, was (noch) geht und nie auf das, was nicht mehr geht. Wir motivieren jeden, genau so viel zu machen, wie sie oder er kann. Ob im Stehen oder Sitzen, ob mit oder ohne Unterstützung – alles ist möglich, sagt Stephanie Gehlen, die den Kurs zusammen mit Petra Rusch organisiert. Wir verfolgen keine therapeutischen Ziele, schließlich sind wir ein Tanzstudio und keine Reha-Einrichtung. Für uns sind die Teilnehmenden in erster Linie Tänzerinnen und Tänzer. Vielleicht erklärt das, warum vor und nach der Tanzstunde fast nie über die Erkrankung gesprochen wird – und am Schluss auf allen Gesichtern ein Lächeln liegt.