Schmerz: Gegen die glühende Nadel im Kopf
Cluster-Kopfschmerzen zählen zu den stärksten Schmerzen überhaupt. Bekämpfen lassen sie sich oft mit reinem Sauerstoff und zwei Migräne-Mitteln. Für manche Patienten kann zudem eine Psychotherapie sinnvoll sein. Sie hilft, mit der Krankheit besser umzugehen und Folgeleiden wie Angststörungen und Depressionen zu verhindern.
Es fühlt sich an, als ob jemand mit einer glühenden Nadel von hinten ins Auge sticht. So oder ähnlich beschreiben Patienten, die an Cluster-Kopfschmerzen leiden, die nahezu unerträgliche Qual, die mit den Attacken verbunden ist. Mitunter halten die extremen, stets einseitigen Schmerzen nur wenige Minuten an, zuweilen aber auch mehrere Stunden. Die Angst vor der nächsten Attacke sitzt daher bei vielen Betroffenen tief.
Cluster-Kopfschmerzen gelten neben dem Spannungskopfschmerz und der Migräne als die dritte, seltene Form primärer Kopfschmerzen – also solcher Schmerzen, die nicht durch andere Erkrankungen verursacht werden. Der Name rührt daher, dass die Attacken periodisch gehäuft, in Clustern, auftreten. Vielfach passiert das im Frühjahr und Herbst. Dazwischen liegen oft Monate, bei manchen Patienten auch Jahre, die völlig schmerzfrei sind.
Feuernder Nerv
Die genauen Ursachen der Erkrankung, an der deutlich mehr Männer als Frauen leiden, sind noch nicht vollständig verstanden. Bislang weiß man vor allem, dass der Hypothalamus des Zwischenhirns, wo die wichtigste innere Uhr des Körpers sitzt, eine wesentliche Rolle spielt
, sagt die NTC-Ärztin Dr. Heike Israel-Willner vom Neurologischen Facharztzentrum Berlin. Bahnt sich eine Attacke an, werden im Hypothalamus Nervenzellen aktiv, die ihre Signale an den Trigeminusnerv senden. Daraufhin beginnt dieser auch Drillingsnerv genannte Nerv, da er mit drei Ästen durchs Gesicht zieht, ungehemmt zu feuern.
Die daraus resultierenden extrem starken Schmerzen sind nicht das einzige Symptom des Cluster-Kopfschmerzes. Bei den meisten Menschen tränt während einer Attacke auf der betroffenen Seite zusätzlich das Auge. Auch die Nase läuft. Darüber hinaus verspüren viele Patienten eine starke innere Unruhe und, ganz anders als bei der Migräne, den Drang, sich zu bewegen
, sagt Israel-Willner. Da die Attacken oft nachts zwischen zwei und vier Uhr auftreten, leiden die Betroffenen häufig zusätzlich an Schlafmangel.
Um Cluster-Kopfschmerzen optimal zu behandeln, empfiehlt die Neurologin daher sowohl Maßnahmen, mit denen sich den Attacken – mehr oder weniger erfolgreich – vorbeugen lässt, als auch Mittel, die den Schmerz während eines Anfalls lindern. Als Mittel der Wahl zur Prävention gelten insbesondere Kortisonpräparate sowie das Medikament Verapamil. Kortison reduziert die Zahl der Attacken bei rund zwei Dritteln der Patienten deutlich
, sagt Israel-Willner. Wegen seiner ausgeprägten Langzeitnebenwirkungen solle es allerdings nicht länger als zwei, drei Wochen eingesetzt werden. Verapamil hingegen beginnt erst ungefähr nach diesem Zeitraum, seine Wirkung überhaupt zu entfalten. Der Kalziumkanalblocker, der eigentlich für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Leiden entwickelt wurde, kann in hoher Dosierung Cluster-Kopfschmerzen vorbeugen und lässt sich auch über einen längeren Zeitraum hinweg ohne größere Risiken einnehmen.
Viel Sauerstoff hilft
Für die Schmerzlinderung bei einer akuten Attacke hat sich bei vielen Patienten die Inhalation von reinem Sauerstoff über eine Mund-Nasen-Maske aus einer Gasflasche bewährt. Wichtig ist dabei eine hohe Durchflussrate von etwa zehn Litern Sauerstoff pro Minute
, sagt Israel-Willner. Bei etwa zwei Dritteln der Patienten verschwindet die Attacke damit innerhalb einer Viertelstunde.
Warum das so ist, weiß man bislang allerdings nicht.
Für unterwegs stehen Patienten zudem zwei Migräne-Medikamente zur Verfügung, die sich – unter die Haut gespritzt oder in Form eines Nasensprays – auch beim Cluster-Kopfschmerz bewährt haben. Es handelt sich um die Wirkstoffe Sumatriptan und Zolmitriptan. Beide Triptane helfen sehr gut, dürfen allerdings nicht bei Gefäßerkrankungen verwendet werden
, sagt Israel-Willner. Um ihnen vorzubeugen, sollten Patienten daher aufs Rauchen unbedingt verzichten.
Gewöhnliche Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen bringen der NTC-Ärztin zufolge beim Cluster-Kopfschmerz gar nichts.
Weil die Schmerzen oft nahezu unerträglich sind, empfiehlt die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft für besonders stark betroffene Patienten eine begleitende psychotherapeutische Behandlung – insbesondere um Folgeerkrankungen wie Angststörungen und Depressionen zu vermeiden. In den Sitzungen sollen die Patienten lernen, besser mit ihrer Erkrankung umzugehen.
Dazu gehöre unter anderem, sich auf eine Attacke optimal vorzubereiten, erläutert die psychologische Psychotherapeutin Anna-Lena Guth von der Migräne- und Kopfschmerz-Klinik Königstein. Wichtig sei zum Beispiel, sich rechtzeitig Gedanken über einen sicheren Rückzugsort für den Zeitraum der Attacken zu machen und mit der Familie und den Kollegen zu besprechen, wie sich diese währenddessen am besten verhalten. In der Therapie erlernen die Patienten zudem Strategien, um mit der Angst vor dem Schmerz besser umzugehen – auf dass die glühende Nadel im Kopf zumindest etwas von ihrem Schrecken verliert.