Multiple Sklerose: Sport ist mein Ein und Alles

Tanja Cordewener war 26 und eine junge Mutter mit festem Job, als sie die Diagnose Multiple Sklerose (MS) erhielt. Ihre Antwort darauf
hieß Sport. Sie wurde Marathonläuferin und im vergangenen Jahr sogar für die RTL-Wettkampfshow Ninja Warrior ausgewählt.

Wenn sich Tanja Cordewener Ziele steckt, sind die nicht gerade von der bescheidenen Sorte. Sie müssen schon ein bisschen anstacheln, findet die 31-Jährige. In diesem November möchte sie den New York City Marathon laufen – wenn es die Corona-Lage zulässt.

Ein Jahr zuvor war alles auf ihre Teilnahme bei der Fernsehsendung Ninja Warrior ausgerichtet. So gut wie täglich machte die junge Frau Kraft- und Klettertraining, um sich auf die sportlichen Herausforderungen der Show vorzubereiten. Meine Bewerbung für die Sendung habe ich eigentlich eher als Spaß verstanden, erzählt Cordewener und lacht. Oft schon hatte sie sich die Sendung zusammen mit ihrer Frau und ihrer elfjährigen Tochter Emily angeschaut.

Doch aus dem Spaß wurde Ernst: Zuerst kam eine Einladung, dann die Zusage. Ich denke, dass mir die MS dabei ein wenig in die Karten gespielt hat, sagt Cordewener. Schließlich ist es außergewöhnlich, mit dieser Krankheit bei einer Leistungsshow anzutreten, die auch viele Hochleistungssportler und Prominente zeigt.

Eine Welt in schwarz-weiß

Dass die MS ihr einmal Türen öffnen könnte – das hatte sich Tanja Cordewener zum Zeitpunkt der Diagnose nicht vorstellen können. Plötzlich war sie damals mit der Gewissheit konfrontiert, an derselben unheilbaren Erkrankung des Nervensystems zu leiden wie ihre Mutter. Allerdings hatte sie schon befürchtet, dass es auf diese Diagnose hinauslaufen könnte. Im Anschluss an eine Erkältung litt sie an einer Sehnerv-Entzündung, die sich nicht besserte. Ich habe zunächst nur verschwommen gesehen und konnte auf einmal keine Farben mehr wahrnehmen, berichtet sie.

In dieser Situation klingelten die Alarmglocken: Meine Mutter hatte vor ihrer MS-Diagnose auch eine Sehnerv-Entzündung. Deshalb ließ ich mich gleich zum Neurologen überweisen.

Der Verdacht bestätigte sich: Seit April 2016 ist klar, dass MS Cordeweners Leben begleiten und verändern würde. Für ihre Familie war das ebenso ein Schock wie für sie selbst. Aber gleichzeitig waren wir auch erleichtert, dass hinter meinen Beschwerden keine schlimmere Ursache stand, zum Beispiel ein Hirntumor, sagt Cordewener. Nach einer Kortison-Stoßtherapie, die sie im Krankenhaus erhielt, ließen die Symptome schnell nach.

Gott sei Dank kann ich wieder alle Farben sehen, berichtet sie. Wenn ich viel Stress habe oder es sehr heiß ist, kann es aber passieren, dass ich nur verschwommen sehe. Nach vielen Gesprächen hat sie sich bewusst gegen eine Basistherapie entschieden. 2017 hatte sie einen leichten Schub, der Blasenfunktionsstörungen mit sich brachte. Auch diese gingen unter Kortison zurück. Manchmal leidet sie unter Schmerzen in den Beinen, die sich aber gut behandeln lassen.

Depression und vorzeitiger Ruhestand

Am meisten beeinträchtigt fühlt sich Cordewener durch Fatigue und wiederkehrende Depressionen, die sie seit der Diagnose begleiten. Das ist natürlich im Alltag eine große Herausforderung, wenn man morgens kaum aufstehen kann, sehr gereizt ist und keinen Antrieb spürt, sagt sie. Ihrer Tochter versuchte sie zu erklären, dass dieses Verhalten nichts mit ihr zu tun habe, sondern ihrer Krankheit geschuldet sei. Um die Depression zu behandeln, ist Tanja Cordewener in psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung. Es tut mir sehr gut, einmal pro Woche über alles sprechen zu können, was mich beschäftigt. Ihrer Arbeit als Justizvollzugsbeamtin kann sie wegen der Depression nicht mehr nachgehen und ist daher seit zwei Jahren im vorzeitigen Ruhestand. Die Arbeit fehlt mir, aber gleichzeitig weiß ich, dass ich die Anforderungen nicht mehr erfüllen könnte.

Sport als Motivator

Seit Anfang des Jahres hat die 31-Jährige einen Minijob und arbeitet täglich zwei Stunden als Bürogehilfin in einer Anwaltskanzlei. Die Beschäftigung macht ihr Spaß und lenkt sie vom Alltag ab, der ansonsten gut gefüllt ist mit Haushalt, Kind, Hund – und natürlich Bewegung. Sport ist mein Ein und Alles, sagt Cordewener. Er motiviert mich sogar dann, wenn die Depression besonders stark ist. So hat sie sich auch auf die Fernsehshow
NINJA WARRIOR mit aller Kraft vorbereitet. Auch wenn sie bereits am zweiten Hindernis scheiterte, bei dem sie von einem Trampolin an eine Art Trapez springen und von dort aus schwingend in ein Netz springen musste: Es war ein tolles Erlebnis, dabei gewesen zu sein.

Mit ihrer Erfahrung möchte sie auch anderen MS-Patienten Mut machen, nicht aufzugeben und das Leben richtig wertzuschätzen. Für mich ist das Wichtigste, dass ich durch die MS gelernt habe, selbst für die kleinsten Dinge dankbar zu sein. Ich sehe die Welt jetzt mit anderen Augen und genieße alles viel mehr als bisher. Das Leben ist schön, auch mit MS! nk

Auf ihrem Instagram-Account taniiijahhh gibt Tanja Codewener Einblicke in ihr Leben und stellt regelmäßig andere MS-Patienten vor.