Parkinson: Wenn die Welt verblasst

Die Parkinson-Erkrankung wird häufig von Sehstörungen begleitet. Wenn Doppelbilder auftauchen, Farben blasser oder die Augen träge werden, sollten die Patienten offen mit dem Arzt darüber sprechen. Denn Probleme mit den Augen werden oft übersehen.

Versteckt sich jemand hinter dem Busch? Ist das ein Mensch, der da oben im Baum hockt? Wer huscht vor meinem Fenster vorbei? Warum sehe ich die Frau mit dem Hund doppelt? Viele Menschen mit Parkinson-Erkrankung klagen über Sehstörungen oder Trugbilder. Die Symptome können ganz unterschiedlich sein. Die Betroffenen sehen häufig Dinge verschwommen, ihre Augen tränen ständig oder sie erleben Halluzinationen. Das sorgt für Angst und Unsicherheit. Trotzdem sprechen Ärzte und ihre Patienten nur selten über Probleme mit dem Sehen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen berichten Parkinson-Patienten zu wenig über ihre ophthalmologischen Symptome, zum anderen werden diese von den behandelnden Ärzten oft übersehen, sagt Carlijn D.J.M. Borm, Neurologin an der Radboud-Universitätsklinik im niederländischen Njimwegen. Dabei sei eine frühe Behandlung der Störungen empfehlenswert.

Borm hat gemeinsam mit Kollegen in Amsterdam und Innsbruck die bisher größte Erhebung zu Sehstörungen bei Parkinson-Patienten ausgewertet. In drei Kliniken befragten die Forscher insgesamt 848 Parkinson-Patienten nach regelmäßig auftretenden Augenproblemen im Alltag. Wie das Ergebnis zeigt, sind Sehstörungen in Kombination mit Parkinson weit verbreitet. 82 Prozent der Studienteilnehmer erleben mindestens eines von 17 zur Auswahl stehenden Symptome. In der gesunden, von der Altersverteilung ähnlichen Kontrollgruppe waren es nur 48 Prozent. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Jeder zweite Parkinson-Patient berichtet, dass Probleme mit den Augen die eigene Lebensqualität stark oder mäßig beeinträchtigen.

Bei Sehstörungen immer zum Arzt

Die Auswirkungen und Ursachen von Sehstörungen im direkten Zusammenhang mit Parkinson sind bisher nicht so gut untersucht, sagt Professor Georg Ebersbach, Vorstandsmitglied der Deutschen Parkinson Gesellschaft (DPG). Er rät behandelnden Ärzten, ihre Patienten immer nach solchen Symptomen zu fragen. Aber auch Patienten und ihre Angehörigen sollten keine Scheu haben, im Arztgespräch über Sehstörungen zu berichten, selbst wenn sie keinen Zusammenhang mit Parkinson vermuten. Ein verunsicherter Patient sollte auf jeden Fall einen Neurologen oder Augenarzt aufsuchen.

Diese Empfehlung gilt vor allem für Trugwahrnehmungen, von denen in der Studie immerhin jeder fünfte Parkinson-Patient berichtet. Hier kann es bei einer Zunahme der Symptome zu bedrohlichen Halluzinationen, zu Verfolgungswahn und Verwirrtheitszuständen kommen, sagt Ebersbach. Halluzinationen seien ein gutes Beispiel für die komplizierte Ursachenforschung bei Sehstörungen. Sie sind einerseits eine Folge der gestörten Verarbeitung visueller Informationen wegen des Untergangs von Nervenzellen und damit ein Teil der Parkinson-Grunderkrankung, sagt Georg Ebersbach, der als Chefarzt der Kliniken Beelitz, Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen und Parkinson, praktiziert. Andererseits zeige der medizinische Alltag, dass Halluzinationen sehr häufig erst durch den Wechsel oder durch eine höhere Dosierung der Parkinsonmedikamente ausgelöst werden.

Häufig trockene oder tränende Augen

Manche Augenprobleme bei Parkinson sind einfacher zu behandeln. Zwei Drittel der Patienten klagen über zu trockene oder zu feuchte Augen. Auch hier sollten die Ursachen genau untersucht werden. Der seltenere Lidschlag aufgrund reduzierter Mimik kommt als Erklärung ebenso infrage wie eine andere chronische Entzündung am Auge. Denkbar ist auch, dass ein Medikament die Freisetzung der Tränenflüssigkeit behindert und so Beschwerden hervorruft. Wenn die Augen jucken, brennen, tränen, oder verklebt sind, helfen Tränenersatzmittel, antibiotische Augentropfen oder eine regelmäßige Reinigung des Augenlids.

Blasse Farben und Doppelbilder

Doch viele Sehstörungen hängen nicht mit der Oberfläche des Auges zusammen. Sie treten innerhalb des Auges oder am Sehnerv auf. Diese Symptome haben wir bei Parkinson-Patienten mindestens doppelt so häufig gefunden wie bei gesunden Menschen gleichen Alters, sagt Carlijn D.J.M. Borm. Die Neurologin und ihr Forscherteam vermuten deshalb einen direkten Zusammenhang mit der Erkrankung. Einige Sehstörungen wurden im Fragebogen sogar fast ausschließlich von Parkinson-Patienten angekreuzt. Die Betroffenen haben das Gefühl, dass Farben immer blasser erscheinen (11 Prozent), sehen Doppelbilder (22 Prozent) und können nicht mehr sagen, welches von zwei Objekten näher bei ihnen ist (17 Prozent).

Nicht alle Einschränkungen können die Forscher bereits genau erklären, aber sie haben Vermutungen. So kann Dopaminmangel im Gehirn beispielsweise die Steuerung der Augenmuskeln einschränken. Jeder vierte Befragte gibt an, er könne schnellen Bewegungen mit den Augen nicht mehr rasch genug folgen. Dopamin spielt als Botenstoff in der primären Sehrinde im Gehirn bei der Interpretation der vom Auge kommenden Informationen eine wichtige Rolle. In der Netzhaut sowie in deren Pigmentschicht unterstützt die Substanz das Sehen von Kontrasten, Farben und die Anpassung des Auges an Helligkeit. Die Teilnehmer der Studie geben in all diesen Bereichen Schwächen an. Das schlechter werdende Sehvermögen erhöht gleichzeitig die Verletzungsgefahr der Betroffenen. Das Sturzrisiko steigt deutlich. Zudem berichtet jeder elfte Patient, dass Teile seines Gesichtsfelds fehlen und er deshalb unabsichtlich an Gegenstände oder Personen stoße. Angesichts dieser komplexen Probleme überrascht es nicht, dass Augenärzte bei Parkinson-Patienten von einer Gleitsichtbrille abraten und separate Brillen für Fernsicht, Lesen und die Arbeit am Computer empfehlen.

Medikamente überprüfen

Chefarzt Georg Ebersbach kennt viele Patienten, bei denen das Sehvermögen durch eine gute Zusammenarbeit von Augenärzten und Neurologen verbessert werden konnte. Wir überprüfen bei Sehstörungen immer auch alle eingesetzten Medikamente auf Nebenwirkungen, berichtet der Neurologe. Er sieht in der Behandlung von Augenproblemen einen weiteren positiven Effekt. Denn häufig behindern die Sehstörungen den Patienten so sehr, dass er seine Alltagsaktivitäten deutlich herunterfährt und damit auch begleitende aktivierende Therapien abbricht. Georg Ebersbach: Allein schon deshalb sollten Patienten, Ärzte und Angehörige möglichst schnell auf beginnende Sehstörungen reagieren. rk