Psyche: Gefangen im Netz

Immer mehr Kinder und Jugendliche verbringen sehr viel Zeit im Internet und mit Computerspielen. Besorgniserregend ist die Entwicklung während der Corona-Pandemie.

Bei der Internetnutzung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen stehen Kommunikation und Unterhaltung im Vordergrund. Das zeigt eine jüngst vorgestellte Untersuchung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Pro Woche verbringen 12- bis 25-Jährige durchschnittlich 23 Stunden pro Woche im Internet – für private Zwecke, also nicht für Schule, Studium oder Beruf. Dabei sei der Anteil problematischer Internetnutzung im Zeitraum 2015 bis 2019 deutlich gestiegen, konstatiert die Studie Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2019. Auch internetbezogene Störungen kommen demnach häufiger vor.

Die Suchtgefahr steigt

Zwar dürfe nicht jeder Hinweis auf eine exzessive Mediennutzung als krankhaft gedeutet werden, sagt Professorin Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA. Andererseits sollten die Suchtrisiken von digitalen Spielen auch nicht verharmlost werden. Die Studiendaten bestätigen, wie wichtig es ist, Jugendlichen die Risiken der exzessiven Nutzung von Internet, Smartphones und Computerspielen aufzuzeigen, so Thaiss. Zudem gelte es, Eltern für ihre Vorbildrolle für Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren.

Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, sieht Handlungsbedarf: Immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nutzen die digitalen Medien mehr als ihnen guttut. Die Digitalisierung ist insgesamt ein wertvolles Gut – während der Pandemie mehr denn je – dennoch müssen junge Menschen wissen, dass sie auch mal abschalten sollten.

Lockdown verstärkt die Problematik

Dass sich die Zeit, die Kinder und Jugendliche im Internet verbringen, während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 erheblich erhöht hat, zeigt eine ganz aktuelle Studie. Dafür wurden im Auftrag der Krankenkasse DAK Gesundheit zwischen September 2019 und April 2020 rund 820 Familien befragt. Demnach stieg die durchschnittliche Verweildauer von Zehn- bis 17-Jährigen in den sozialen Medien werktags um 66 Prozent an, von 116 auf 193 Minuten pro Tag. Die Nutzungsdauer von Onlinespielen erhöhte sich sogar um 75 Prozent, von 79 auf 139 Minuten. Am Wochenende gab es einen Anstieg um fast 30 Prozent auf 193 Minuten am Tag.

Wie es zu der erhöhten Gaming- und Medien-Nutzung kommt? Der Studie zufolge geht es vor allem um die Bekämpfung von Langeweile und die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte. Rund ein Drittel der Kinder und Jugendlichen gibt an, online der Realität entfliehen und Stress abbauen zu wollen. Problematisch wird es, wenn das Netzverhalten gemäß den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als riskant oder krankhaft einzustufen ist, etwa wenn das Computerspielverhalten mit einem Kontrollverlust und einer Priorisierung gegenüber anderen Aktivitäten einhergeht und draus signifikante Beeinträchtigungen in persönlichen, sozialen und schulisch-beruflichen Lebensbereichen resultieren. Das sei, so die Hochrechnung der Studie, bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen in Deutschland der Fall.

Prävention verbessern

Umso wichtiger ist die Aufklärung und Sensibilisierung zur Prävention exzessiver Mediennutzung. Auf der Plattform https://www.ins-netz-gehen.de können Kinder und Jugendliche unter anderem einen Selbsttest zu ihrer Online-Nutzung machen, Verhaltensänderungen erlernen und Tipps zur alternativen Beschäftigung in Corona-Zeiten finden. Auch Eltern erhalten Beratung und hilfreiche Ideen. ag