Migräne: Per App zur optimalen Therapie

Migränepatienten, die sich in einer NTC-Praxis behandeln lassen, können auf ihrem Smartphone künftig eine neue Software verwenden. Die App My NTC Health Guide hilft, die Auslöser der Kopfschmerzattacken zu erkennen und die Medikamente zu finden, die im individuellen Fall am besten helfen. Patienten mit MS sollen schon bald eine ähnliche Option erhalten.

Kopfschmerzen sind eine sehr persönliche Sache. Denn jeder Patient empfindet seine Schmerzen anders. Die Stärke und die Dauer sind verschieden und es kommen meist unterschiedliche Symptome hinzu. Auch die Auslöser der Attacken sind höchst individuell. Und ein Medikament, sei es zur Vorbeugung oder für die akute Situation, das bei dem einen Patienten vielleicht kaum eine Wirkung zeigt, hilft einem anderen womöglich richtig gut.

Aus diesem Grund ist es so wichtig, den Verlauf einer Kopfschmerzerkrankung so genau wie möglich zu erfassen, sagt Dr. Monika Köchling, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom NeuroCentrum am Kreiskrankenhaus Grevenbroich & Dormagen. Früher händigten die Ärzte ihren Patienten zu diesem Zweck Kopfschmerz- oder spezielle Migränetagebücher in Form von losen Blättern aus, die handschriftlich auszufüllen waren.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Immer mehr Patienten nutzen digitale Tagebücher, die sich auf dem Smartphone oder Tablet deutlich bequemer und strukturierter mit Inhalt füllen lassen. Wer bei den großen App-Anbietern nach den Stichwörtern Kopfschmerz oder Migräne sucht, stößt inzwischen auf eine Fülle von Angeboten.

Monika Köchling will für die derzeit mehr als 26.000 Patienten, die sich wegen ihrer Migräne in einer Facharztpraxis des Ärztenetzwerks NeuroTransConcept (NTC) behandeln lassen, noch einen Schritt weitergehen.
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Heike Israel-Willner vom Neurologischen Facharztzentrum Berlin am Sankt Gertrauden-Krankenhaus hat sie daher die App My NTC Health Guide entwickelt.

Immer auf dem aktuellen Stand

Von anderen Migräne-Apps unterscheidet sich die Software in einem ganz wesentlichen Punkt: Wenn der Patient damit einverstanden ist und in der App eine entsprechende Einstellung vornimmt, kann der behandelnde NTC-Arzt alle Informationen der vergangenen Monate, die der Patient in die App eingespeist hat, über unser netzwerkeigenes System DESTINY® graphisch gut aufbereitet auf seinem Computerbildschirm in der Praxis einsehen, erläutert Köchling. Auf diese Weise sind Arzt und Patient im Hinblick auf den Krankheitsverlauf immer auf dem gleichen und aktuellen Stand.

Auf Augenhöhe mit dem Arzt

Das Konzept von DESTINY® wurde vor einigen Jahren entwickelt, um die Vernetzung und die Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu fördern und den Patienten – auf Augenhöhe mit dem Arzt – aktiv in die Therapie mit einzubinden. Als innovative Plattform für personalisierte Medizin wurde das System seit seinem Start im Jahr 2016 bereits sechs Mal mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Mithilfe der App My NTC Health Guide soll der Patient, indem er selbst Daten generiert, künftig noch mehr als zuvor ein aktiver Teilnehmer am Behandlungsprozess werden und dadurch den Therapieerfolg steigern, sagt Köchling.

Zwar lässt sich die neue Migräne-App von jedem Menschen bei den gängigen App-Anbietern herunterladen und anschließend kostenlos nutzen. Von dem besonderen Vorteil – der direkten Weitergabe der Daten an den behandelnden Arzt über DESTINY® – profitieren jedoch nur die Patienten der NTC-Paxen. Um eine verschlüsselte und somit sichere Weitergabe der Daten an den Arzt zu ermöglichen, muss der Patient in der App lediglich ein Token eingeben, also ein Einmalpasswort aus einer bestimmten Zahlen- und Buchstabenkombination, erklärt Köchling. Anschließend ist die Übermittlung der Daten freigeschaltet – kann vom Patienten aber natürlich auch jederzeit wieder beendet werden.

Ganz gezielte Fragen

Um die für die optimale Behandlung der Migräne wesentlichen Aspekte zu erfassen, werden in der App in verschiedenen Rubriken jeweils ganz gezielte Fragen gestellt. Zunächst trägt der Patient die Dauer und die Stärke der Kopfschmerzen sowie, wenn vorhanden, die Art und die Dauer der Auren ein. Auch mögliche Auslöser des Migräneanfalls, zum Beispiel Stress oder Aufregung, Änderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus oder der Beginn der Menstruation, können notiert werden. Seine eigenen Triggerfaktoren zu kennen, ist sehr
wichtig, um der Entstehung einer Attacke auch ohne Medikamente so gut es geht vorzubeugen
, erläutert Israel-Willner. Da die Auslöser einer Migräneattacke individuell sehr verschieden sind, kann man ihnen nur durch eine genaue Dokumentation der Begleitumstände auf die Spur kommen.

Auswirkungen auf den Alltag

In einer weiteren Rubrik hat der Patient die Möglichkeit, seine Schmerzen und mögliche Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen oder Licht- und Lärmempfindlichkeit zu dokumentieren. Zudem kann er angeben, wie sich die Migräneattacke auf seinen Alltag ausgewirkt hat, ob er beispielsweise seiner Arbeit oder seinen gewohnten Freizeitaktivitäten nachgehen konnte oder nicht.

Schließlich gibt es noch eine Rubrik, in der es um die Einnahme und die Wirksamkeit von Migränemedikamenten geht. Hier kann der Patient eintragen, ob er Arzneimittel zur Prophylaxe einnimmt und welche Akutmedikamente in welcher Dosierung und zu welchem Zeitpunkt der Attacke er angewendet hat – und natürlich auch, wie gut sie ihm geholfen haben. So erhalten wir Ärzte einen genauen Überblick darüber, inwieweit die verordnete Therapie die Beschwerden des Patienten lindert oder ob wir womöglich eine Änderung der Medikation in Erwägung ziehen sollten, sagt Israel-Willner. Darüber hinaus lasse sich durch die Dokumentation der Schmerzmitteleinnahme auch eine von Medikamenten ausgelöste Kopfschmerzsymptomatik erkennen und gegebenenfalls behandeln.

Die App soll dem Patienten und seinem Arzt jedoch nicht nur aufzeigen, welche Faktoren eine Migräneattacke hervorrufen und wie diese dann optimal behandelt wird. Indem der Patient zum Beispiel täglich sein Schlafverhalten oder seine körperliche Aktivität dokumentiert, kann er mit der Zeit auch besser erkennen, welche Faktoren des Lebensstils bei ihm zu einer längeren kopfschmerzfreien Zeit führen, sagt Köchling.

Apps für weitere Erkrankungen

Die beiden Ärztinnen planen, die App im NTC-Netzwerk stetig weiterzuentwickeln. In späteren Versionen sollen beispielsweise Tipps hinzukommen, wie man mit den Symptomen der Migräne so umgehen kann, dass die Erkrankung den Alltag so wenig wie möglich beeinträchtigt, kündigt Israel-Willner an. Auf diese Weise kann die App zu einem optimalen Therapiebegleiter werden.

Schon bald sollen zudem nicht nur Menschen mit Migräne von My NTC Health Guide profitieren. Vermutlich Anfang des kommenden Jahres wird eine vergleichbare Version der App auch für MS-Patienten verfügbar sein. Eine Variante für Menschen mit Depressionen ist bereits angedacht. Denn das Ziel ist klar: Früher oder später soll es für jede neurologische oder psychiatrische Erkrankung, die in den NTC-Praxen behandelt wird, eine eigene App-Version geben – um so den Therapieerfolg jeder dieser Krankheiten durch das aktive Zutun des Patienten weiter zu steigern. ab