Migräne: Richtig essen bei Migräne

Regelmäßige Mahlzeiten, die vor allem viel Gemüse und Vollkornprodukte enthalten, können helfen, die Häufigkeit und Intensität von Kopfschmerzattacken zu reduzieren. Ein Verzicht auf ganz bestimmte Lebensmittel ist hingegen nur in Einzelfällen sinnvoll.

Rotwein, Käse, Schokolade – bei Migränepatienten haben diese Lebens- und Genussmittel oft einen schlechten Ruf. Denn alle drei stehen im Verdacht, unweigerlich die nächste Kopfschmerzattacke herbeizuführen. Viele Menschen mit Migräne verzichten daher aus Vorsicht lieber gleich komplett auf sie.

In den meisten Fällen bedeutet das allerdings einen völlig überflüssigen Verlust an Lebensqualität, sagt der Neurologe Dr. Axel Heinze, leitender Oberarzt an der Schmerzklinik Kiel. Keine wissenschaftliche Studie habe bisher beweisen können, dass beispielsweise der Genuss von Schokolade einen Migräneanfall hervorrufen kann. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Lust auf Schokolade oder andere hochkalorische Nahrungsmittel ein Anzeichen dafür ist, dass die nächste Schmerzattacke kurz bevorsteht. Diese lasse sich dann in aller Regel ohnehin nicht mehr abwenden, egal ob man seinem Heißhunger nachgebe oder nicht. Wer die Schokolade isst, hält sie dann aber oft irrtümlich für den Auslöser der Attacke, erläutert Heinze.

Eine Vielzahl möglicher Trigger

Auch andere Lebensmittel haben ihren schlechten Ruf als Migräneverursacher – Experten sprechen von Triggerfaktoren – oft zu Unrecht. Eine Analyse von 85 Studien mit insgesamt mehr als 27.000 Teilnehmern zeigte zwar, dass 81 Prozent der Befragten solche Trigger bei sich ausmachen konnten. Allerdings nannten die Probanden 420 unterschiedliche Auslöser ihrer Attacken. Es ist daher meist sehr schwer, die eigenen Triggerfaktoren sicher zu identifizieren, sagt Heinze.

Eine niederländische Studie mit rund 2.200 Migränepatienten ergab beispielsweise, dass Alkohol bei weniger als neun Prozent der Befragten ein eindeutiger Trigger ist. Selbst wenn die Kopfschmerzattacke nach ein, zwei Gläsern Rotwein am Abend am nächsten Morgen auftritt, könnte sie auch andere Auslöser haben, sagt Heinze. Vielleicht sei man einfach zu spät im Bett gewesen oder habe morgens zu lange geschlafen und damit später als sonst gefrühstückt.

Wichtig zu wissen ist, dass es keine allgemeingültigen, sondern nur individuelle Triggerfaktoren gibt, betont der Neurologe. Einzelne Lebensmittel von vornherein zu meiden, sei daher wenig sinnvoll. Viel besser ist es, wenn jeder Migränepatient durch wiederholtes Ausprobieren für sich selbst herausfindet, welche Lebensmittel er gut verträgt und welche nicht. Das könne sich mit der Zeit durchaus ändern. Individuelle Nahrungsmitteltrigger kann man dann natürlich meiden, sagt Heinze. Eine deutliche Auswirkung auf die Migräne insgesamt ist dadurch allerdings nicht zu erwarten.

Deutlich sinnvoller ist es dem Experten zufolge vor allem für über- und untergewichtige Menschen, ihr Gewicht durch eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung zu normalisieren. Übergewicht begünstigt neurogene Entzündungen und somit den Migräneschmerz, sagt Heinze. Eine Analyse von zwölf Studien mit insgesamt fast 289.000 Teilnehmern konnte zeigen, dass ein Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30, also starkes Übergewicht, das Migränerisiko um 27 Prozent erhöht. Auch untergewichtige Menschen mit einem BMI von weniger als 18,5 litten in der Analyse jedoch mit einer um 13 Prozent erhöhten Wahrscheinlichkeit an dieser Form des Kopfschmerzes. Es geht also nicht immer ums Abnehmen, sondern darum, ein gesundes Gewicht anzustreben, so Heinze.

Regelmäßig essen

Sehr wichtig sei es zudem, regelmäßig zu essen. Denn ein Gehirn, das nicht ausreichend mit Energie versorgt ist, sei es durch eine ausgelassene Mahlzeit oder durch exzessiven Sport, reagiert bei Migränepatienten leicht mit der Entstehung einer Schmerzattacke. Da es anders als beispielsweise die Muskeln keine eigenen Glukosespeicher besitzt, ist das Gehirn auf die kontinuierliche Zufuhr von Glukose, also Traubenzucker, angewiesen. Diese Zuckerart entsteht im Körper beim Abbau von Kohlenhydraten.

Eine Studie aus dem Jahr 2018 mit 300 Probanden hat gezeigt, dass drei Haupt- und drei Zwischenmahlzeiten, die dann natürlich nicht allzu üppig ausfallen sollten, dabei helfen können, sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität von Migräneattacken zu reduzieren – und zwar fast ebenso gut, wie es eine klassische medikamentöse Prophylaxe tut.

Die Studie wies allerdings eine Besonderheit auf: Die Mahlzeiten, die die Teilnehmer zu sich nahmen, erhielten sehr viele Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index. Das bedeutet, dass der Körper die in ihnen enthaltenen Kohlenhydrate nur langsam zu Traubenzucker abbaut. Das lässt zum einen den Blutzuckerspiegel nicht in die Höhe schießen und bewirkt zum anderen, dass alle Organe, also auch das Gehirn, über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich mit Energie versorgt werden.

Ganze Körner bevorzugen

Einen niedrigen glykämischen Index haben zum Beispiel fast alle Gemüsesorten, die meisten einheimischen Obstsorten sowie Vollkorn- und vor allem Ganzkornprodukte. Ein Korn-an-Korn-Brot ist daher in vielerlei Hinsicht gesünder als feines Schwarzbrot, sagt Heinze. Listen mit dem glykämischen Index gängiger Lebensmittel finden sich unter anderem im Internet.
Wer also mit der richtigen Ernährung seine Migräne positiv beeinflussen will, sollte diese vier Punkte beachten:

  • individuelle Nahrungsmitteltriggermeiden
  • das Gewicht mit gesunder Ernährung im Normalbereich halten
  • auf regelmäßige Mahlzeiten achten
  • möglichst viel Gemüse und Vollkorn- oder, noch besser, Ganzkornprodukte essen

Dem Neurologen Heinze ist eine Sache jedoch besonders wichtig: Sicherlich lassen sich über die richtige Ernährung einige Besserungen erzielen, sagt er. Sie ist aber stets nur ein Baustein einer multimodalen Migränetherapie, bei der für ein optimales Ergebnis verschiedene Behandlungsansätze miteinander kombiniert werden müssen. ab