Psyche: So stärken Sie Ihr Selbstvertrauen
Eine chronische Erkrankung geht oft mit dem Verlust geistiger und körperlicher Fähigkeiten einher. Das ist jedoch kein Grund, den Glauben an sich selbst und seine Stärken zu verlieren. Ein gesundes Selbstbewusstsein hilft Ihnen, viele Krisen besser zu meistern. Es aufzubauen oder sich zumindest zu erhalten, ist womöglich leichter, als Sie denken.
Manche Menschen scheinen vor Selbstbewusstsein nur so zu strotzen. Aufrecht und optimistisch gehen sie durchs Leben, nichts und niemand kann sie offenbar in ihrem festen Glauben an sich selbst und ihre Stärken beirren. Das Glück fliegt ihnen permanent ganz augenfällig zu.
Die eigenen Stärken und Schwächen erkennen
Andere dagegen werden von immer wiederkehrenden Zweifeln an sich selbst geplagt. Sie trauen sich nur wenig zu, gehen meist vom Schlimmsten aus und scheinen das Unglück fast schon magisch anzuziehen. Dabei haben sie oft nur den einen großen Wunsch: endlich etwas selbstbewusster zu werden.
Doch was eigentlich bedeutet das ganz genau? »Die Begriffe Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen oder auch Selbstwertgefühl werden vielfach synonym verwendet«, sagt der NTC-Experte Dr. Dr. Henning Peters, niedergelassener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im bayrischen Rosenheim. »Dabei meinen diese Worte streng genommen unterschiedliche Dinge.«
Ein selbstbewusster Mensch ist sich im wahrsten Sinne des Wortes seiner selbst bewusst. Er kennt seine Stärken, aber auch seine Schwächen. Er weiß, was ihm im Leben wichtig ist, welche Ziele er verfolgt, auf welchen Wegen er sie vermutlich erreichen kann, aber auch, wo seine Grenzen liegen. Wer nicht nur selbstbewusst ist, sondern auch ein starkes Selbstvertrauen hat, vertraut auf sich und seine Fähigkeiten. Ein solcher Mensch weiß, dass er in der Lage ist, auch schwierige Aufgaben sowie die kleinen und großen Krisen des Lebens in aller Regel gut zu meistern.
Das Selbstwertgefühl hingegen beschreibt den Wert, den ein Mensch sich selbst zuschreibt. Wer ein gutes Selbstwertgefühl besitzt, geht mit der festen Überzeugung durchs Leben, dass er es trotz seiner Schwächen wert ist, von anderen und auch von sich selbst geachtet und geliebt zu werden. »Natürlich lassen sich die drei Begriffe nicht immer ganz klar voneinander abgrenzen«, sagt Peters. »So geht ein gesundes Selbstvertrauen fast immer auch mit einem positiven Selbstwertgefühl einher.«
Das Fundament für all diese Eigenschaften wird bereits in der frühen Kindheit und zu einem großen Teil auch während der Pubertät gelegt. Inwieweit sie von den Erbanlagen des einzelnen Menschen geprägt werden, ist aus wissenschaftlicher Sicht nur schwer zu ermitteln. »Sicher spielen die Gene eine wesentliche Rolle«, sagt Peters. »Aber auch Lernerfahrungen haben einen großen Einfluss, insbesondere die zwischenmenschlichen Interaktionen, die man als Kind, als Jugendlicher und auch noch als junger Erwachsener erfährt.«
Sich ausprobieren, Fehler machen und üben
Wie viel wertschätzende Rückmeldung ein heranwachsender Mensch von seinen Eltern, Lehrern, Freunden und anderen wichtigen Bezugspersonen erhält, trägt also maßgeblich dazu bei, mit welchem Selbstbewusstsein er durchs Leben gehen wird. Trauen ihm andere Menschen viel zu, wird das nicht ohne positive Folgen bleiben: »Wer in seiner Kindheit in seinem Tun ermutigt wird, wer sich ausprobieren, Fehler machen und üben darf, hat die besten Chancen, zu einem selbstbewussten Erwachsenen heranzureifen«, sagt Peters.
Auch das Lernen am Modell sei bei dieser Entwicklung wichtig. »Wer erlebt, wie andere Menschen Krisen bewältigen und womöglich sogar gestärkt aus ihnen hervorgehen, wird eher seine eigenen Strategien suchen und finden, um mit schwierigen Situationen umzugehen«, sagt Peters. Negative Erfahrungen in der Kindheit und Jugend hingegen, wie Mobbing in der Schule oder die ungewollte Trennung von einem Elternteil, können die Entstehung eines starken Selbstbewusstseins mitunter massiv beeinträchtigen. Auch die Tendenz, sich in den sozialen Medien zunehmend mit anderen vergleichen zu müssen, ist dabei für viele Teenager eher hinderlich.
Doch auch später im Leben lauern natürlich Momente, die das Potenzial haben, das Vertrauen in die eigenen Stärken und den eigenen Wert nachhaltig zu untergraben. Der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Rückzug eines geliebten Menschen sind nur zwei von zahlreichen Beispielen. Auch durch dieEntwicklung einer chronischen Krankheit kann das Selbstbewusstsein bei manchen Menschen stark ins Wanken geraten.
Die Krankheit auch als Chance begreifent
»Wer chronisch erkrankt, muss sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass er bestimmte Fähigkeiten oder Fertigkeiten vermutlich schneller verlieren wird als ein gesunder Mensch«, sagt Peters. Man werde häufiger in Situationen geraten, in denen man mit neu aufgetretenen Defiziten zurechtkommen müsse. »Und Strategien, mit denen man bisher recht gut durchs Leben kam, greifen dann vielleicht nicht mehr.« Hinzu kommt, dass die Zugehörigkeit, die man als Mensch erlebt, sei es in der Familie, im Freundeskreis oder im Beruf, durch eine schwere oder zumindest fortschreitende Erkrankung immer wieder bedroht sein kann. Peters sieht in der Diagnose einer chronischen Krankheit aber auch durchaus eine Chance. »Es ist ein guter Zeitpunkt, um innezuhalten und genau zu schauen, was einem wichtig und noch immer möglich ist im Leben«, sagt er. Darüber hinaus könne es durchaus befreiend sein, wenn aufgrund einer Erkrankung der Druck wegfalle, sich immer wieder mit anderen zu vergleichen und bei diesem Vergleich bestehen zu müssen. »Wer seine Einschränkungen akzeptiert, wird sich womöglich leichter auf seine Stärken fokussieren können«, sagt Peters. »Und wenn manche Fertigkeiten verloren gehen, kommen andere dadurch unter Umständen eher zum Tragen.«
Nach Gleichgesinnten Ausschau halten
Vielleicht ist ein chronisch erkrankter Mensch ein besonders guter Zuhörer. Vielleicht kann er seine Erfahrungen im Umgang mit der Erkrankung auch mit anderen teilen und Patienten, die ihre Diagnose noch nicht so lange haben, auf diese Weise Mut machen. Ein sportlich einst sehr aktiver Mensch, der plötzlich mit körperlichen Einschränkungen zurechtkommen muss, kann mit Gleichgesinnten auf einem anderen Level weitertrainieren. Oder er findet womöglich Spaß daran, Sportereignisse zu organisieren.
Die Möglichkeiten sind in nahezu jeder Phase einer Erkrankung da. Um sie zu entdecken und zu nutzen, müsse man sich allerdings immer wieder ein paar Fragen stellen, sagt Peters: Was kann ich nicht mehr? Was genau hat mir das, was nun weggefallen ist, bedeutet? Welche Bedürfnisse hat es erfüllt? Und wie kann ich diese künftig auf andere Weise stillen? »Wer am Sport beispielsweise den Wettkampf oder die Gemeinschaft geliebt hat, wird beides auch bei anderen Aktivitäten finden«, sagt Peters. Wichtig sei vor allem, den Kontakt zu Mitpatienten zu suchen, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu unterstützen.
Sich seinen Ängsten immer wieder stellen
Trotz alledem kann das Wissen um die eigene ungewisse Zukunft natürlich Ängste hervorrufen, die einem gesunden Selbstvertrauen im Weg stehen. »Sinnvoll ist es dann, möglichst gut zwischen wirklich relevanten, das heißt begründeten, und nicht relevanten, weil nur subjektiv empfundenen Ängsten zu unterscheiden«, sagt Peters. Hilfreich sei, sich in kleinen Schritten immer wieder Situationen, die als beängstigend erlebt werden, auszusetzen: »Dabei wird man lernen, dass einem in aller Regel viel weniger Schlimmes widerfährt als gedacht.«
Wie Sport das Selbstbewusstsein steigern kann
Wer körperlich so aktiv wie möglich bleibt, tut sich in vielerlei Hinsicht gut. Wenn wir uns bewegen, das Herz dadurch schneller zu schlagen beginnt und der Atem rascher geht, beginnt unser Gehirn, bestimmte Botenstoffe auszuschütten, unter anderem Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Alle drei dieser Neurotransmitter werden auch als Glückshormone bezeichnet. Sie bewirken, dass unsere Laune und unsere Leistungsbereitschaft steigen und eventuell vorhandene Schmerzen nachlassen.
Zudem führt körperliche Aktivität dazu, dass das Gehirn vermehrt sogenannte neurotrophe Faktoren produziert. Diese Substanzen tragen unter anderem dazu bei, dass sich Nervenzellen neu vernetzen und das Gehirn somit auf unbekannte Situationen flexibler reagieren kann. Darüber hinaus kurbelt Sport den Stoffwechsel an, sodass Stresshormone, die einem positiven Selbstbild womöglich im Wege stehen, leichter abgebaut werden.
Studien haben außerdem gezeigt, dass Bewegung die Aktivität in einer bestimmten Hirnregion, dem präfrontalen Kortex, drosselt. Dieses Areal ist an negativen Emotionen wie Angst oder Traurigkeit, die das Selbstbewusstsein verringern können, maßgeblich beteiligt.
Ein weiterer positiver Effekt des Sports besteht darin, dass körperlich aktive Menschen meist schrittweise Leistungsgrenzen überwinden und auch dadurch mit der Zeit mehr Selbstvertrauen entwickeln. Wichtig ist allerdings, sich nicht selbst zu überfordern. Ansonsten besteht die Gefahr, die Motivation und die Freude an der Bewegung zu verlieren.
Wer sein Selbstbewusstsein mithilfe von Sport stärken möchte, sollte sich auf jeden Fall eine Form der Bewegung suchen, die ihm Spaß macht. Es geht nicht darum, sich körperlich zu quälen oder mental zu stressen. Entscheidend ist vielmehr, aktive Phasen als Routine in jeden Tag einzubauen, sich kleine Ziele zu setzen, diese nur langsam zu steigern – und sich für jeden noch so kleinen Erfolg selbst auf die Schulter zu klopfen.