Psyche: Gedächtnislücken durch Corona

Auch eine Covid-19-Erkrankung kann, unabhängig von ihrer Schwere, zu länger anhaltenden kognitiven Störungen führen. Die Symptome ähneln oft denen einer MCI. Die gute Nachricht aber ist: Fast immer klingen sie nach einigen Monaten von allein wieder ab.

Das Coronavirus gibt noch immer viele Rätsel auf. So stellen manche infizierte Menschen fest, dass sie, obwohl sie inzwischen wieder als gesund gelten, noch lange nicht genesen sind. Long Covid nennt man diese Langzeitfolgen der Erkrankung – und kognitive Störungen sind nur eine davon. Doch den Betroffenen können gerade sie das Leben mitunter sehr schwer machen, sagt der Neurologe Dr. Jonas Hosp, Oberarzt an der Universitätsklinik Freiburg und Leiter der dortigen Post-COVID Ambulanz.

Man müsse bei diesen Patienten allerdings zwei Gruppen unterscheiden, erklärt Hosp. Während die Gründe für die gestörten Hirnfunktionen bei der einen Gruppe mittlerweile recht gut verstanden sind, tappen wir bei der anderen noch völlig im Dunklen. Beiden gemein sei aber, dass die Symptome, unter anderem Konzentrations- und Erinnerungsprobleme, nach ein paar Monaten in aller Regel wieder nachlassen – auch ohne Medikamente oder andere Therapien.

Die Konzentration ist gestört

Bei der einen Gruppe handelt es sich um schwer an Corona erkrankte Patienten, die überwiegend männlich und schon älter sind, oft auch an Vorerkrankungen leiden. Die meisten von ihnen nehmen ihre kognitiven Defizite selbst gar nicht richtig wahr, obwohl diese in Tests deutlich zu bemerken und auch recht spezifisch sind, berichtet Hosp. Vor allem die Fähigkeiten, sich zu konzentrieren und räumliche Informationen zu verarbeiten, seien eingeschränkt.

Oft beginnen die Beschwerden noch während der akuten Krankheitsphase. Etwa einen Monat nach der Infektion sind die Testwerte dieser Menschen dann vergleichbar mit denen von MCI-Patienten, sagt Hosp. MCI ist die Abkürzung für die verbreitete englische Bezeichnung Mild Cognitive Impairment. Hierzulande sprechen Mediziner auch von einer leichten kognitiven Störung. Diese kann auf eine beginnende Demenz hinweisen, aber eben auch viele weitere Ursachen haben.

Oft kommt eine Fatigue hinzu

Die andere Gruppe, die Hosp in seiner Ambulanz zu sehen bekommt, besteht in der Mehrzahl aus Frauen mittleren Alters, die einen eher leichten Krankheitsverlauf hatten. Sie haben deutliche subjektive Einschränkungen, die ihnen die Bewältigung ihres Arbeitsalltags stark erschweren, aber in unseren Tests kaum messbar sind, sagt Hosp. Zwar sei ihr Konzentrations- und Aufmerksamkeitsvermögen reduziert – jedoch nicht in dem Maße, in dem die Betroffenen leiden. Sehr oft wissen sie nicht mehr, was sie als Nächstes tun wollten, oder haben Probleme, die richtigen Wörter zu finden oder die Namen anderer Menschen zu erinnern, weiß Hosp. Vielfach sind die kognitiven Störungen von Fatigue, also einer starken Erschöpfung und Ermüdung, begleitet. Die Ursachen für diese Beschwerden sind bislang unbekannt.

Ödeme im Gehirn

Etwa klarer sehen Mediziner inzwischen bei der ersten Gruppe. So konnte ein Team um Hosp in zwei Studien herausfinden, dass bei den betroffenen Patienten in den Nervenzellen der Hirnrinde der Stoffwechsel gestört ist. Es wird dort weniger Glukose umgesetzt, wodurch den Zellen weniger Energie zur Verfügung steht, erläutert Hosp. Verursacht wird die Störung offenbar durch entzündliche Ödeme, also Flüssigkeitsansammlungen, in der weißen Substanz des Gehirns, in der die Nervenfasern – die langen Ausläufer von Nervenzellen – gebündelt sind.

So beunruhigend das alles klingen mag: Bisherigen Beobachtungen zufolge scheint das Gehirn in der Lage zu sein, sich vollständig zu regenerieren. Bei fast allen Patienten klingen die kognitiven Störungen innerhalb von sechs bis neun Monaten wieder ab, sagt Hosp. Bis dahin gelte es vor allem, sich und seinem Körper Zeit zu geben und geistige Anstrengungen nur schrittweise zu erhöhen.