Parkinson: Ein Vorbote für Parkinson
PD Dr. Anna Heidbreder erläutert, warum Parkinson-Patienten vermehrt an Parasomnien und anderen Schlafstörungen leiden und was dagegen zu tun ist.
Frau Dr. Heidbreder, Menschen mit Parkinson haben besonders oft Parasomnien – also Schlafstörungen, die mit einem auffälligen Verhalten einhergehen. Welche kommen am häufigsten vor?
Es gibt eigentlich nur eine Parasomnie, die bei Parkinson-Patienten vermehrt auftritt. Es handelt sich um die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, bei der die Betroffenen im Schlaf häufig schreien, um sich schlagen, treten oder anderweitig gewalttätig werden können. Dadurch gefährden sie sowohl sich selbst als auch ihre Bettpartner, die in einer solchen Situation oft gar nicht erkannt werden. Rund 40 Prozent aller Parkinson-Patienten weisen die Störung auf, die meist in den frühen Morgenstunden auftritt. Vielfach träumen die Menschen davon, sich verteidigen oder fliehen zu müssen.
Weiß man, wie es zu der Störung kommt?
Normalerweise sind in der REM-Schlafphase, in der besonders intensiv geträumt wird, alle Skelettmuskeln blockiert. Das Gehirn, das diesen Mechanismus steuert, stellt so sicher, dass nächtliche Träume nicht aktiv ausgelebt werden. Bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist die Blockade aufgehoben, die Muskeln lassen sich in allen Schlafphasen anspannen. Bei Parkinson-Patienten, die an dieser Parasomnie leiden, lagert sich das Protein Alpha-Synuclein in genau den Arealen des Gehirns ab, die für den Mechanismus zuständig sind. Dadurch funktioniert er nicht mehr richtig.
Seit einiger Zeit gilt die REM-Schlaf-Verhaltensstörung auch als Vorbote einer späteren Parkinson-Erkrankung. Wie gesichert ist dieser Zusammenhang?
Wir wissen inzwischen, dass 85 Prozent der Menschen, die an dieser Parasomnie leiden, in den kommenden 15 Jahren an Parkinson oder, deutlich seltener, an einer anderen Synucleinopathie erkranken. Eine frühe Diagnose der REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist somit wichtig, um die Patienten regelmäßig in einer neurologischen Praxis auf erste Anzeichen einer neurodegenerativen Erkrankung untersuchen zu können. Vor allem bei jungen Menschen kann die REM-Schlaf-Verhaltensstörung aber auch auf eine beginnende Narkolepsie hinweisen, bei der die Betroffenen tagsüber urplötzlich einschlafen.
Hat man damit zumindest für ältere Menschen ein Frühwarnsystem, das sich für die Therapie von Parkinson nutzen lässt?
Noch haben wir leider keine Medikamente, die den Ausbruch oder den Verlauf der Erkrankung hinauszögern. Sie sind aber bereits in der Entwicklung und ich hoffe sehr, dass uns in einigen Jahren solche neuroprotektiven Wirkstoffe zur Verfügung stehen werden. Dann wären sie für Menschen mit einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung durchaus eine denkbare Option.
Gibt es weitere Schlafstörungen, die bei Parkinson vermehrt auftreten?
Mit der Dauer der Erkrankung steigt das Risiko, ein Restless-Legs-Syndrom zu entwickeln. Dabei kommt es zu Missempfindungen in den Beinen, die mit einem Bewegungsdrang verbunden sind, der vor allem abends und in der Nacht sehr stark sein kann. Auch Schlafatmungsstörungen, die sich durch Schnarchen und nächtliche Atemaussetzer bemerkbar machen, sind bei Parkinson häufiger zu finden.
Inwieweit lassen sich all diese Störungen behandeln?
Um das Verletzungsrisiko bei einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung so gering wie möglich zu halten, sollten zunächst das Bett und sein direktes Umfeld so sicher wie möglich gestaltet werden. Als Medikamente sind Benzodiazepine, etwa Clonazepam, und Melatonin in Betracht zu ziehen, insbesondere wenn es zu eigen- oder fremdgefährdendem Verhalten kommt. Gegen das Restless-Legs-Syndrom hilft vielfach der Einsatz von Gabapentinoiden. Gerade bei Menschen mit Parkinson ist es sinnvoll, Schlafstörungen zu behandeln, da sich so ein besserer Allgemeinzustand der Patienten erreichen lässt. ab