SCHMERZ: Auch bei Corona-Kopfweh: Vorsicht mit Schmerzmitteln!

Kopfschmerzen sind ein häufiges Symptom einer COVID-19-Erkrankung. Manchen Betroffenen machen sie noch Wochen und Monate nach Abklingen der akuten Infektion zu schaffen. Zwar lindern normale Schmerzmedikamente die quälenden Symptome, aber eine regelmäßige Einnahme bringt Gefahren mit sich.

Wer kennt das nicht: Man liegt mit einem dicken Infekt im Bett, die Glieder schmerzen, der Kopf dröhnt. Bei einer Erkältung oder Grippe können solche heftigen Kopfschmerzen auftreten, aber auch bei einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. In der Regel klingen die Schmerzen mit überstandener Infektion wieder ab, doch bei rund 44 Prozent der Betroffenen können sie länger andauern. Kopfschmerzen gehören zu den Symptomen, die man – je nachdem wie lange sie andauern – unter Long Covid oder Post-Covid-Syndrom
zusammenfasst. Weil die gängigen Schmerzmittel auch gut gegen solche Kopfschmerzen wirken, ist der tägliche Griff zur Tablette verführerisch.

Gefahr von Medikamenteninduzierten Kopfschmerzen

Das Problem: »Alle Schmerzmittel selbst können als Nebenwirkung zu dauerhaften Kopfschmerzen führen«, sagt Dr. Andreas Kopf, Oberarzt und Leiter des Schmerz- und Palliativzentrums, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Das Phänomen heißt in der Fachsprache Medication Overuse Headache, kurz MOH oder medikamenteninduzierte Kopfschmerzen. Von diesem Kopfschmerz spricht man, wenn Menschen an mehr als 15 Tagen im Monat an Kopfschmerzen leiden und diese länger als drei Monate mit einem oder mehreren Schmerzmedikamenten bekämpfen.

Wer nach einer Infektion mit dem Coronavirus unter starken oder anderen Kopfschmerzen als zuvor leidet, sollte zunächst die hausärztliche Praxis aufsuchen, empfiehlt Kopf. Dort wird man dann versuchen herauszufinden, ob sich bereits vorher bestehendes Kopfweh verschlimmert hat, ob Erkrankungsstress die Ursache ist oder ob es sich um einen direkt durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Kopfschmerz handelt. Dieser würde zur Gruppe der New Daily Persistent Headache (NDPH) gehören, die als Folge zahlreicher viraler Infekte auftreten können und in vielen Fällen mit der Zeit nachlassen. So hat eine zusammenfassende Studie gezeigt, dass zwei Monate nach Abklingen einer Virus-infektion 16,5 Prozent der Betroffenen weiterhin unter Kopfweh litten, nach einem halben Jahr aber nur noch 8,4 Prozent. Andreas Kopf: »Ob es jedoch einen Corona-spezifischen Kopfschmerz gibt, können wir heute noch nicht mit Sicherheit sagen.«

Um Näheres herauszufinden, wird der behandelnde Arzt zunächst die genauen Symptome erfragen, also ob der Kopfschmerz neu ist, wie häufig er in welchem Kopfbereich auftritt und wie er sich anfühlt. Denn Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz. Es gibt insgesamt mehr als zweihundert bekannte unterschiedliche Kopfschmerzarten, die in zwei große Gruppen eingeteilt werden. Um primäre Kopfschmerzen handelt es sich, wenn ihnen keine andere Erkrankung zugrunde liegt. Dazu gehören zum Beispiel Migräne, Spannungs- und Clusterkopfschmerzen. Sekundäre Kopfschmerzen treten infolge einer Erkrankung auf. Das können Kopfverletzungen sein, Schädigungen von Gesichtsnerven oder Halswirbelsäule, Gehirntumore, Erkrankungen der Sinnesorgane oder der Nasennebenhöhlen – oder eben virale Infektionen, etwa mit dem Coronavirus.

»Andersartige Symptome« bei Corona

Wie COVID-19-assoziierte Kopfschmerzen entstehen, ist noch nicht im Detail erforscht. Experten vermuten, dass Thrombosen oder Entzündungen im Gehirn dahinterstecken, direkte Schädigungen der Blutgefäße durch das Virus selbst oder eine Unterversorgung der Hirnzellen mit Sauerstoff. Dass es sich meistens um Spannungskopfschmerzen oder Migräne handelt, berichteten brasilianische Forscher der Bundesuniversität von Pernambuco in einer im vergangenen Jahr publizierten Studie. »Spannungskopfschmerzen sind auf beiden Seiten des Kopfes helmartig drückend und beengend«, erläutert der Charité-Experte Kopf. »Sie nehmen bei körperlicher Aktivität nicht zu.« Migräne-Kopfschmerzen dagegen seien in der Regel einseitig und pulsierend; körperliche Aktivität verschlimmere sie meistens. »Vielen Betroffenen ist außerdem übel, sie müssen sich erbrechen, eher selten sind Missempfindungen und Taubheitsgefühle.«

Viele der in der brasilianischen Studie befragten Long-Covid-Patienten mit anhaltender Migräne bzw. Spannungskopfschmerzen berichten über »andersartige« Symptome. »Bei ihnen sind die Schmerzen entweder häufiger und stärker als vorher oder der Schmerzcharakter ist verwischt«, berichtet Andreas Kopf. Die Patienten litten an »verwilderten« Kopfschmerzen, ihr Schmerz lasse sich nicht mehr eindeutig charakterisieren und häufig seien weitere Symptome wie Übelkeit oder Schwindel zu beobachten. »Hinzu kommt, dass viele Betroffene infolge der Schmerzmittel chronische medikamenteninduzierte Kopfschmerzen entwickeln – sie sind in einen Teufelskreis geraten«, sagt der Schmerzmediziner. Erst nach einer zehn-tägigen Medikamentenpause kristallisiere sich der ursprüngliche Kopfschmerz wieder heraus und könne entsprechend behandelt werden. »Um dieses Risiko zu vermeiden, sollten Kopfschmerzpatienten nie mehr als zwei Tage die Woche ein Schmerzmittel einnehmen«, warnt Kopf.

Lernen, sich innerlich zu entspannen

Die optimale Behandlung von Kopfschmerzen bestehe immer aus einer Kombination von Schmerzmitteln und einer nicht medikamentösen Strategie, betont der Berliner Schmerzmediziner. Neben der richtigen Arznei und Dosierung sei es für die Patienten wichtig, ihr Körpergefühl zu trainieren und sich innerlich zu entspannen. Zu diesem Zweck hätten sich Yoga, Qigong, die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, eine Atemtherapie und Achtsamkeitsübungen bewährt. Zusätzlich könnten Patienten im Rahmen einer Biofeedback-Therapie lernen, ihre innere Spannung wahrzunehmen. Dabei messen Elektroden die Muskelspannung an den Schmerzstellen und melden sie als visuelles oder optisches Signal zurück. Dr. Kopf: »Ziel ist es, die innere Spannung besser wahrzunehmen und sie durch Entspannung selbst zu verringern und damit den Kopfschmerz zu lindern.« Ausdauer-training wie Nordic Walking, Radfahren oder Schwimmen seien ebenfalls geeignet, übermäßigen Stress abzubauen. Es komme darauf an, die individuell richtige Methode herauszufinden und sie täglich anzuwenden. »Medikamente allein verringern die Kopfschmerzen um 30 bis 50 Prozent«, sagt der Schmerzmediziner, »nimmt man Ausdauer- oder Entspannungstraining dazu, hilft die Behandlung sogar doppelt so gut.« uw