Parkinson: Damit das Schlucken leichter fällt
Mehr als 80 Prozent aller Parkinson-Betroffenen entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung eine Schluckstörung. Welche Frühzeichen und Behandlungsformen es gibt, schildert Professor Tobias Warnecke, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation, Schwerpunkt Parkinson-Syndrome und andere Bewegungsstörungen am Klinikum Osnabrück.
Herr Prof. Warnecke, wie kommt es zu einer Schluckstörung bei Parkinson-Erkrankten?
Die Entstehung der Schluckstörung, in der Fachsprache Dysphagie genannt, ist im Detail noch ungeklärt. Man weiß aber, dass zum einen der bei der Parkinson-Erkrankung im Gehirn vorliegende Dopamin-Mangel eine Rolle spielt. Dopamin ist ja ein Botenstoff, der die Signale zwischen den Nervenzellen weiterleitet. Wenn er fehlt, werden die Nervenreize im Gehirn schlechter übertragen. Zusätzlich scheinen aber auch Parkinson-typische Eiweißablagerungen direkt in den Nerven, die den Schluckvorgang steuern, an der Entstehung beteiligt zu sein.
Welche Folgen hat die Schluckstörung und wann kann sie gefährlich werden?
Schluckstörungen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Nicht selten bereiten sie Schwierigkeiten bei der Tabletteneinnahme mit der Folge, dass die Arzneien unbemerkt im Rachen hängen bleiben. Sie können auch Mangelernährung bewirken und zu Gewichtsverlust und Austrocknung führen. Wenn die Nahrungsteile versehentlich in die Lunge geraten, ist eine Lungenentzündung möglich. Diese ist gefährlich und im fortgeschrittenen Krankheitsstadium häufig tödlich. Schluckstörungen treten oft früh im Krankheitsverlauf auf. Sie sollten möglichst frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden, aber oft werden sie weder von Betroffenen noch von Ärzten erkannt.
Was sind denn wichtige Frühzeichen, auf die Betroffene achten sollten?
Ein indirektes Zeichen für eine Schluckstörung ist, dass man unbewusst feste Nahrung meidet. Das Schnitzel, das einem so gut geschmeckt hat, wird nicht mehr gegessen. Bei manchen erfordert das Schlucken auf einmal eine hohe Konzentration, wenn sie sich beim Essen unterhalten. Auch unwillkürlich langsameres Essen, ungewollter Gewichtsverlust, Sodbrennen, Völlegefühl, vermehrter Speichelfluss, Verschlucken oder Husten beim Essen, Hängenbleiben von Nahrung im Rachen und Fieber infolge einer unentdeckten Lungenentzündung sind womöglich Hinweise auf eine Schluckstörung. Betroffene sollten sich bei ersten Anzeichen an ihren Neurologen wenden, um eine frühzeitige Diagnose und Behandlung zu ermöglichen und damit schweren Folgen vorzubeugen.
Wie wird eine Schluckstörung untersucht?
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schluckstörung vorliegt, können Neurologen zusammen mit Logopäden beziehungsweise Sprachtherapeuten mit speziellen Fragebögen abschätzen. Die Fragen sind eigens für Parkinson-Erkrankte entworfen. Eine ganz einfache Untersuchungsmethode ist die 20-Milliliter-Methode, bei der man mit einem Schluck die genannte Menge Wasser austrinken soll. Gelingt das nicht oder muss der- oder diejenige dabei husten, kann das Schlucken gestört sein. Um herauszufinden, wo genau der Schluckvorgang gestört ist, wird häufig eine endoskopische Schluckuntersuchung vorgenommen. Dabei wird ein sehr dünnes Endoskop über die Nase in den Rachen eingeführt, um kleine Stückchen von angefärbten Speisen oder Placebo-Tabletten auf dem Weg vom Mund durch den Rachen in die Speiseröhre auf einem Monitor zu beobachten. In seltenen Fällen ist eine Röntgenuntersuchung angezeigt oder eine manometrische Untersuchung mit einer speziellen Sonde, die bis in den unteren Bereich der Speiseröhre vorgeschoben wird.
Welche Therapien eignen sich bei Schluckstörungen?
Eine Strategie ist die Optimierung der Parkinson-Medikation, wobei die Dosierung bestimmter Medikamente oder die Zusammenstellung der Arzneien verändert wird. Hinzu kommen aktivierende und individuell angepasste logopädische Therapien. Hilfreich sind Übungen mit einem Ausatemtrainer im Rahmen eines Expiratoty Muscle Strength Trainings, kurz: EMST. Den Ausatemtrainer kann man sich als kleine, dicke Röhre vorstellen, mit der man diejenigen Muskeln trainiert, die am Atmen und Schlucken beteiligt sind. Logopäden weisen in das Training ein, danach kann man es zu Hause weiter praktizieren. Im Frühstadium einer Schluckstörung lassen sich damit Effektivität und Sicherheit beim Schlucken verbessern. Oft gelingt die Tabletteneinnahme dann deutlich besser und das Risiko einer Lungenentzündung sinkt. Das Tablettenschlucken üben Logopäden gezielt mithilfe eines Endoskops, das über die Nase in den Rachen geschoben wird. So können Betroffene auf dem Bildschirm den Weg der Arznei verfolgen und verstehen, wo das Problem liegt. Sie lernen, das Medikament so zu schlucken, dass es wirklich Mund, Rachen und Speiseröhre durchwandert. Logopäden verfügen über ein ganzes Arsenal an Techniken, um auf individuelle Störungen einzugehen.
Welche Alternativen gibt es, wenn Medikamente nicht mehr geschluckt werden können?
In dieser Situation bieten sich Inhalation, subkutane Injektion der Wirkstoffe, Pflaster auf der Haut oder eine Pumpentherapie an, mit der die Arznei kontinuierlich über eine Magen-Darm-Sonde zugeführt wird.
Bei Schluckstörungen wird der Speichel seltener und langsamer geschluckt und es kommt zu vermehrtem Speichelfluss. Was können Patienten dagegen tun?
Ein sogenannter Schluckwecker kann Abhilfe schaffen. Es handelt sich um eine Therapiehilfe, mit der Betroffene einmal täglich 30 oder zweimal täglich 15 Minuten trainieren, auf ein Signal hin einmal pro Minute zu schlucken. Der Schluckwecker kann als Audioprogramm im Internet heruntergeladen werden. Ein Smartphone oder die Küchenuhr tun es aber auch. Nach vier Wochen regelmäßigem Training wird der Speichelfluss in der Regel geringer. Es gibt zudem Medikamente gegen übermäßigen Speichelfluss. Wenn alles nicht nützt, kann man die Speicheldrüsen mit Botulinumtoxin behandeln, was die Speichelproduktion für eine gewisse Zeit hemmt.