SCHMERZ: Entschlossen (be)handeln

In der Schläfe beginnt es zu pochen. Es ist, als würde jemand von hinten am Augapfel ziehen. Oder das Licht, das durchs Fenster fällt, wirkt plötzlich unangenehm grell. Sich anbahnende Migräneanfälle äußern sich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Was aber tun, wenn es wieder losgeht?

»Wer mehrmals im Monat an starken Kopfschmerzen leidet, sollte auf jeden Fall ärztlichen Rat einholen«, sagt Dr. Carolina Link, Oberärztin und Leiterin der Abteilung Schmerzmedizin am Universitätsklinikum Bonn. Dasselbe gilt, wenn die Schmerzen neu oder ungewohnt heftig sind oder beispielsweise mit Lähmungen, Sehstörungen oder Schwindel einhergehen. Treten die Kopfschmerzen aber nur gelegentlich auf und sind vergleichsweise mild, lassen sie sich mit Schmerzmitteln recht gut in den Griff bekommen.

Viele Mittel, mehrere Wirkweisen

Infrage kommen bei Migräne die rezeptfreien Schmerzmittel Ibuprofen, Naproxen, Acetylsalicylsäure und Paracetamol, Analgetika genannt. Sie blockieren die Schmerzrezeptoren und unterdrücken dadurch die Schmerzempfindung.

Darüber hinaus gibt es Präparate, die verschiedene Analgetika miteinander und/oder zusätzlich mit Koffein kombinieren; dazu gehört beispielsweise eine Mischung aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein. Koffein wirkt anregend und verstärkt die schmerzstillende Wirkung der Analgetika. Es wird diskutiert, ob Koffein allein auch Schmerzen zu lindern vermag.

In Deutschland sind darüber hinaus drei Triptanpräparate gegen Migräne rezeptfrei in der Apotheke erhältlich: Sumatriptan, Almotriptan und Naratriptan. Triptane agieren spezifischer als die oben genannten Analgetika, sagt der Neurologe Dr. Andreas Peikert vom Neurologicum Bremen: »Sie dämpfen die Entzündungsreaktion in den Hirnhautgefäßen, also die eigentliche Ursache für das Schmerzgeschehen bei Migräne.« Daher wirken Triptane nicht beim Spannungskopfschmerz, dem andere Entstehungsmechanismen zugrunde liegen.

Herausfinden, was hilft

Viele Migränebetroffene empfinden Ibuprofen als wirksamstes Mittel gegen ihre Beschwerden; Paracetamol hingegen halten sie für weniger effektiv. Doch die Bewertung unterscheide sich von Mensch zu Mensch, sagt Andreas Peikert. »Man muss sich selbst und seinen Körper gut kennenlernen und mit der Zeit in Erfahrung bringen, welches Medikament in welcher Situation am besten hilft.«

Wer gute Erfahrungen mit Triptanen gemacht hat, sollte diese ruhigen Gewissens auch einsetzen, fügt der Bremer Neurologe hinzu: »Triptane sind nicht gefährlicher oder weniger verträglich als gewöhnliche Schmerzmittel.« Auch hier gelte es, aus der Palette von Präparaten das für den eigenen Körper geeignetste Präparat zu finden.

Kombinationspräparate sind in der Fachwelt umstritten. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) etwa empfiehlt Mittel aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein als ein Mittel der ersten Wahl bei Migräneattacken. »Wenn sie gut helfen und man sie nur hin und wieder einnimmt, ist das in Ordnung«, sagt auch Andreas Peikert. Andere Ärzte wiederum raten davon ab, darunter Carolina Link: »Die einzelnen Komponenten sind in solchen Präparaten oft unterdosiert. Besser sind Monopräparate, die nur einen Wirkstoff enthalten. Wem Koffein hilft, kann dazu noch eine Tasse Kaffee trinken.«

Den Zug schnell zum Stehen bringen

Egal welches Mittel: Am wichtigsten sei es, mit der Einnahme nicht zu lange zu warten, sagt Professorin Dagny Holle-Lee, Leiterin des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums Essen. Es verhalte sich wie beim Ziehen der Notbremse in einem fahrenden Zug. »Wenn der Zug gerade erst angefahren ist, kann ich ihn relativ schnell wieder anhalten. Fährt er bereits schneller, brauche ich mehr Kraft dazu. Und es dauert dann auch länger, bis der Zug wieder steht.«

Bei einer Migräneattacke schüttet der Körper Botenstoffe aus, die das Entzündungsgeschehen verstärken. »Die Entzündung schaukelt sich hoch, und das Medikament wirkt dann schlechter«, sagt Andreas Peikert. Hinzu kommt, dass im Laufe der Attacke möglicherweise die Verdauung stockt und Medikamente dann weniger gut aufgenommen werden. Menschen, die während eines Anfalls normalerweise mit starker Übelkeit zu kämpfen haben, sollten dem frühzeitig entgegenwirken, etwa mit Medikamenten wie Metoclopramid (MCP), oder gleich ein Triptan anwenden, wenn nötig als (dann rezeptpflichtige) Hautspritze.

Nicht öfter als zehn Tage im Monat

Zu vermeiden sei ein Zuviel an Schmerzmitteln, warnt Carolina Link. »Egal, wie stark der Kopf pocht, die maximale Tagesdosis laut Beipackzettel ist stets einzuhalten.« Bei den Triptanen beispielsweise sind das in der Regel zwei Tabletten in 24 Stunden.

Werden Schmerzmittel in zu hoher Menge eingenommen, können sie beispielsweise die Niere und den Magen schädigen. Zum anderen führen viele Schmerzmittel irgendwann selbst zu Kopfschmerzen – dem sogenannten Übergebrauchskopfschmerz. »Das ist ein ständiges Druckgefühl im Kopf, und die Migräne kommt dann noch oben drauf«, erläutert Dagny Holle-Lee. Ein Warnsignal ist auch, wenn der Kopfschmerz häufiger als üblich auftritt und die Medikamente schlechter wirken als zuvor.

Kombinationspräparate und Triptane führen schneller zu solchen Übergebrauchskopfschmerzen als die einfachen Schmerzmittel wie Ibuprofen & Co. Es gilt daher: Triptane und Kombinationspräparate dürfen nicht öfter als an zehn Tagen im Monat eingenommen werden, gewöhnliche schmerzstillende Mittel maximal an 15 Tagen im Monat. Wer so häufig unter Kopfschmerzen leidet, sollte ohnedies eine umfassende Behandlung und möglicherweise eine Prophylaxetherapie in Erwägung ziehen.

Unnötiges Leiden

Andreas Peikert warnt umgekehrt vor einem »Untergebrauchskopfschmerz«: »Nicht wenige Migräne-Betroffene haben Angst vor Schmerzmitteln und liegen unnötig tagelang mit Migräne im Bett.« Wer nur gelegentlich Schmerzmittel benötige, müsse sich keine Sorgen um einen möglichen Medikamentenübergebrauch machen.

Aber klar: Der Griff zur Tablette ist nicht alles. »Schmerzmittel beseitigen nicht die eigentliche Ursache der Migräne, sie können lediglich eine Attacke abwenden«, sagt Carolina Link. Viele Attacken von vornherein verhindern könne jedoch eine vorbeugende Therapie mit Ausdauersport, Entspannung und einer regelmäßigen Tagesstruktur. bo