Parkinson: Bewegung ist das A und O
Parkinson ist eine Erkrankung des Nervensystems, die oft mit Bewegungsverlangsamung, Zittern und Steifigkeit einhergeht. Neben diesen motorischen Defiziten treten bei einem Großteil der Betroffenen auch Magen-Darm-Beschwerden auf. Im Interview erläutert Dr. Ali Amouzandeh, Neurologe am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, wie es dazu kommt und was dagegen hilft.
Herr Dr. Amouzandeh, wie verbreitet sind Magen-Darm-Beschwerden bei Parkinson-Erkrankten?
50 bis 80 Prozent der Patienten leiden daran, die meisten von ihnen haben schon viele Jahre oder gar Jahrzehnte vor dem Auftreten der typischen Bewegungsdefizite eine chronische Verstopfung. Daher fragen wir Neurologen bei Verdacht auf Parkinson gezielt nach solchen Beschwerden. Auch Geruchs- und Geschmacksstörungen treten häufig bereits vor den motorischen Symptomen auf oder kommen im weiteren Verlauf der Erkrankung hinzu. Manche Patientinnen und Patienten klagen über Schluckstörungen oder Mundtrockenheit. Viele leiden an einer verzögerten Magenentleerung, was die Wirkung von eingenommenen Medikamenten verzögert, weil diese zu lange im Magen verweilen.
Wie kommt es zu diesen Beschwerden?
Parkinson ist eine Systemerkrankung, bei der an verschiedenen Stellen im Körper Nervenzellen geschädigt werden. Dass dabei sehr häufig und oft sehr früh Magen-Darm-Probleme auftreten, deutet darauf hin, dass der Krankheitsprozess beim Parkinson nicht nur im zentralen Nervensystem beginnt.
Wo denn noch?
Es werden zwei Ursprungsorte im Körper vermutet. Der eine ist der Darm, der von einem komplexen Geflecht aus Nervenzellen, dem enterischen Nervensystem, durchzogen ist. Der andere ist sehr wahrscheinlich der Bulbus olfactorius, also der Riechkolben. An beiden Orten beginnen bestimmte Nervenzellen zu degenerieren. Das erklärt, warum viele Betroffenen schon im Frühstadium ihrer Erkrankung Darmbeschwerden oder Geruchs- und Geschmacksstörungen haben. Mittlerweile wissen wir auch, dass Parkinson nicht nur durch einen Mangel an Dopamin gekennzeichnet ist, sondern auch viele andere Neurotransmitter aus der Balance geraten und weitere Beschwerden verursachen – zum Beispiel depressive Stimmungen oder Kreislaufbeschwerden.
Also ist die Störung der Darmtätigkeit eine direkte Folge der Krankheit?
Ja. Die verlangsamten Bewegungen, die ja das Hauptsymptom bei Parkinson sind, finden sich auch im Magen- und Darmtrakt. Allerdings sind die Mechanismen verschieden: Die Verlangsamung der Beweglichkeit ist auf eine Störung im zentralen Nervensystem zurückzuführen. Die Darmträgheit kommt also daher, dass das enterische Nervensystem geschädigt ist und infolgedessen die Magen- und Darmmuskeln nicht mehr so arbeiten, wie sie sollen.
Welche Maßnahmen können Abhilfe schaffen?
Sehr wichtig ist die Ernährung. Bei Darmträgheit hilft eine faser- und ballaststoffreiche Kost mit Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten; stopfende Nahrungsmittel wie Bananen oder Schokolade sollte man nur in geringen Mengen zu sich nehmen. Außerdem sollte man ausreichend trinken, am besten Leitungs- und Mineralwasser, verdünnte Obst- und Gemüsesäfte oder ungezuckerten Kräutertee. Koffeinhaltige Getränke wie Kaffee, Cola und schwarzer Tee sind wenig ratsam, weil sie die Verstopfung fördern können. Betroffene mit einer Vorerkrankung am Herzen sollten sich über die tägliche Trinkmenge von ihrem Kardiologen beraten lassen. Für alle übrigen empfehlen wir zwei bis drei Liter Flüssigkeit pro Tag.
Was tun, wenn die Beschwerden dennoch nicht verschwinden?
Bei chronischer Verstopfung hilft etwa das milde Abführmittel Macrogol, das von den meisten Patientinnen und Patienten gut vertragen wird. Es bindet Wasser und bewirkt, dass der Stuhl voluminöser und zugleich weicher wird – was die Darmtätigkeit anregt und die Ausscheidung erleichtert. Das Mittel ist rezeptfrei erhältlich und kann problemlos täglich eingenommen werden, vorzugsweise morgens und mittags. Abends sollte man darauf verzichten, um nächtliche Toilettengänge zu vermeiden.
Was können Sie noch empfehlen?
Bewegung ist das A und O. Denn eine allgemeine Trägheit begünstigt auch
die Darmträgheit. Wegen der für Parkinson typischen Steifigkeit leiden viele Betroffene ohnehin an einem Bewegungsmangel. Deshalb ist es besonders wichtig, dass sie regelmäßig eine auf ihre Defizite abgestimmte Physio- oder Ergotherapie erhalten. Es hilft nichts, nur die Verstopfung zu behandeln, wenn man zugleich den ganzen Tag auf dem Sofa sitzt. Darmmassagen können den Stuhlgang unterstützen, ersetzen aber nicht die eigene Bewegung. Wichtig ist ein multimodales, individuell abgestimmtes Vorgehen: Wer sich ausreichend bewegt, die Ernährung anpasst und darauf achtet, was und wie viel im Trinkgefäß ist, kann schon sehr viel erreichen. mo
Dr. Ali Amouzandeh ist Neurologe am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam