Parkinson: Schlag für Schlag gegen die Symptome

Vielen Parkinson-Betroffenen wird geraten, körperlich aktiv zu bleiben, um möglichen Einschränkungen entgegenzuwirken. Dafür kann Boxtraining sehr wirksam sein und neben körperlichen auch mentale Effekte haben.

Früher dachte ich, Boxen wäre ein Sport nur für Halbstarke, die sich prügeln wollen«, sagt Ute Stender-Killguß. Die 72-Jährige ist eine von zehn Frauen im Alter von 43 bis 80 Jahren, die in einem Hamburger Boxstudio regelmäßig gegen ihre Parkinson-Erkrankung kämpfen. »Heute weiß ich, wie viel Spaß Boxen macht«, so Stender-Killguß, »und es hilft mir, mich trotz meiner Krankheit besser zu fühlen.« Trainiert werden die Frauen von Dilar Kisikyol. Die Profiboxerin und amtierende Weltmeisterin im Leichtgewicht ist seit drei Jahren Inklusionsbeauftragte beim Hamburger Boxverband. »Ende 2021 kamen drei Frauen mit der Frage auf uns zu, ob wir einen Boxkurs für Parkinson-Patientinnen anbieten könnten. Sie alle hatten einen Fernsehbericht über eine Belgierin gesehen, die mit Boxen ihre Erkrankung in Schach hält«, berichtet Kisikyol. »Wir haben es dann einfach ausprobiert und seitdem treffen wir uns einmal in der Woche im Boxclub.«

Mit Handschuhen und Sandsack

Schnell hätten die Frauen gespürt, dass sie von dem regelmäßigen Training mit Handschuhen und Sandsack profitieren. »Boxen ist ein Ganzkörpertraining, das neben Kraft und Ausdauer auch Beweglichkeit, Koordination, Reaktionsfähigkeit und Kognition verbessert«, sagt Kisikyol. Dabei sei von Vorteil, dass das Training sowohl allein, etwa als Schattenboxen vor einem Spiegel, oder in Kombinationen mit einer Partnerin individuell gestaltet werden könne – je nach körperlicher Verfassung und momentaner Leistungsfähigkeit. »Es geht nicht ums Gewinnen oder die perfekte Technik, sondern darum, mit kleinen, aber effektiven Schritten den Symptomen der Parkinson-Erkrankung entgegenzuwirken«, so die Profiboxerin.

Und noch etwas sei wichtig, ergänzt Ute Stender-Killguß: »Ich merke nicht nur, dass es mir nach dem Training körperlich gut geht und ich zum Beispiel einen stabileren Gang habe. Seit ich boxe, bin ich auch psychisch in besserer Verfassung.« Das liege vor allem an dem starken Zusammenhalt in der Trainingsgruppe: »Wir unterstützen uns gegenseitig, auch im Alltag.«

Gut für die Sturzprävention

Dass Boxen viele positive Effekte bei Parkinson hat, hat auch André Inthorn, Sportwissenschaftler in der Physiotherapiepraxis Hohmann in Baden-Baden, beobachtet. »Wenn die Patienten erst einmal ihre Vorurteile und Hemmungen gegenüber dem Boxen abgebaut haben, merken sie, dass das Training nur Vorteile hat. Das gilt vor allem für Kraft und Beweglichkeit, die sich bei Parkinson ohne regelmäßiges Training schnell verschlechtern können.« Aus diesem Grund werde das Boxtraining inzwischen in der Praxis auch jedem Parkinson-Patienten angeboten. Dabei spiele keine Rolle, in welcher körperlichen Verfassung der Patient sei. »Wenn nötig, kann auch im Sitzen oder mit nur einem Arm geboxt werden«, sagt Inthorn.

Zudem kombiniere er das Boxen, dessen positive Effekte inzwischen auch durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt sind, mit anderen hilfreichen Übungen, etwa einem Gleichgewichtstraining. Das fördere durch das gleichzeitige Ansteuern verschiedener Gehirnareale nicht nur die Kognition, es trage auch zur Sturzprophylaxe bei, so der Sporttherapeut und ergänzt: »Ich kenne keinen Patienten, der nicht selbstbewusster, sicherer und glücklicher aus dem Training geht.«

Perfekt zum Stressabbau

Zu den Patienten, die von dem individuellen Boxtraining bei Inthorn profitieren, gehört Frank Elstner. Der bekannte Radio- und Fernsehmoderator, der vor knapp sieben Jahren die Diagnose Parkinson erhielt, weiß, wie wichtig Sport und Bewegung ist: »Man kann die Krankheit zwar nicht heilen, aber Beschwerden wie Muskelschwäche, Gleichgewichts- und Koordinationsprobleme lindern, wenn man sich regelmäßig bewegt. Diese Chance möchte ich nutzen, daher mache ich viel Sport, mindestens eine Stunde pro Tag.«

Bereits als junger Mann habe er geboxt, jetzt helfe ihm der Sport gegen die Symptome der Krankheit. »Durch das bisherige Training konnte ich meine Kraft, meine Koordination und meine Reflexe verbessern«, berichtet Elstner. Zudem sei Boxen zum Stressabbau perfekt geeignet. »Wichtig ist, dies auch mit Humor zu sehen, denn nur, wenn der Sport Spaß macht, bleibt man dabei.«

Und ebenfalls relevant: »Inzwischen weiß man, dass neben der regelmäßigen Bewegung auch kognitives Training dazu beitragen kann, die Parkinson-Erkrankung zu verlangsamen. Man ist weniger vergesslich, bleibt aktiv und kann gut am Leben teilnehmen.« Für kognitives Training sei Boxen optimal. Insgesamt habe ihm der Sport geholfen, nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit zu bleiben, sagt der Moderator.

Um die Vorteile des Boxsports für Parkinson-Betroffene bekannter zu machen, traten Frank Elstner und Dilar Kisikyol im vergangenen Jahr zusammen beim Digitalen Welt-Parkinson-Tag der Parkinson Stiftung auf. »Es ist toll zu sehen, wie viel mein Sport bei den Betroffenen bewirken kann«, so die Profiboxerin. »Gemeinsam können wir die Krankheit bekämpfen.« ag

Zusammen mit seinem Kollegen Marc Hohmann hat André Inthorn ein Programm entwickelt, bei dem Parkinson-Patienten zwei Wochen lang jeden Tag physiotherapeutische und sporttherapeutische Übungen absolvieren, wozu auch Boxen gehört. Regelmäßige Tests zeigen, dass die Intensität des Trainings innerhalb kurzer Zeit Kraft, Koordination und Kognition sowie vor allem die Lebensqualität deutlich verbessern kann. Weitere Informationen: www.baden-health.de

Boxkurse für Parkinson-Betroffene werden inzwischen immer häufiger angeboten. Weiterhelfen können hier unter anderem örtliche Sportverbände und Vereine.

Warum Boxen so effektiv ist

  • Die gesamte Muskulatur wird gefordert, auch schwer zu erreichende tieferliegende Muskelstränge. So wird die körperliche Kraft verbessert.
  • Nicht nur Schultern, Arme und Hände, auch Beine und Füße werden, wenn möglich, beansprucht. Das fördert Stabilität und Motorik.
  • Die passende Positionierung im Raum und zum Gegner sind eine Herausforderung für die Sinnesorgane. Das erhöht die Konzentration.
  • Durch das Erlernen von Schlagabfolgen werden Koordination und Kognition und durch die regelmäßige Bewegung die Ausdauer verbessert.
  • Spaß, Erfolge und soziale Kontakte wirken Depressionen entgegen und fördern die Lebensqualität.