Migräne: Menschen mit Migräne fühlen sich häufig stigmatisiert

Eine neue Studie der Europäischen Migräne- und Kopfschmerzallianz (EMHA), der Migräneliga Deutschland und der Stiftung Kopfschmerz zeigt, dass Menschen mit Migräne sich im Alltag oft diskriminiert fühlen.

Viele von ihnen geben an, zu Hause, am Arbeitsplatz, aber auch im Gesundheitswesen negativen Reaktionen ausgesetzt zu sein. Die Studie basiert auf einer Umfrage, an der im Frühjahr 2023 in 17 europäischen Ländern mehr als 4.200 Menschen mit und ohne Migräne teilnahmen. 88 Prozent der Befragten waren Frauen im Alter von 25 bis 64 Jahren. Die meisten Betroffenen hatten mehr als acht Attacken im Monat und somit eine schwere Form der Migräne.

Eine stark unterschätzte Krankheit

Eine Stigmatisierung liege vor, wenn Betroffene ihre Umwelt als negativ, abweisend oder intolerant wahrnähmen, schreiben EMHA und Migräneliga Deutschland in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Das verschlimmere den ohnehin schon erheblichen Schmerz und das Leid, das Migräne verursache, und führe oft zu Einsamkeit, Frustration und Traurigkeit.

Jeder vierte gesunde Befragte, so ein weiteres Ergebnis der Studie, setzt Migräne mit starken Kopfschmerzen gleich und unterschätzt die Erkrankung erheblich. Demgegenüber beklagten fast alle Migränebetroffenen, dass die Öffentlichkeit die Krankheit nicht richtig verstehe. »Mach einen Spaziergang, dann werden die Kopfschmerzen besser«, zitiert Veronika Bäcker, Präsidentin der Migräneliga Deutschland, einen typischen Ratschlag, den sich Migränepatienten im Alltag häufig anhören müssten.

Aus Angst verschwiegen

Für den Einzelnen kann die Stigmatisierung gravierende Folgen haben. So berichtete fast jeder dritte Migränepatient in der Befragung, Arztbesuche aus Scham oder aus Angst vor Verurteilung durch das Fachpersonal hinauszuzögern oder zu vermeiden. Und drei von vier Betroffenen fühlen sich von medizinischen Fachkräften nicht ernst genommen.

Auch am Arbeitsplatz befürchten viele Betroffene, stigmatisiert zu werden, und verschweigen ihre Erkrankung aus Angst vor negativen Konsequenzen. So haben 43 Prozent der Befragten ihren Arbeitgeber nicht darüber informiert – auch wenn es ihnen schwerfällt, das Arbeitspensum zu bewältigen. Besonders häufig (80 Prozent) glauben Teilzeitkräfte , dass ihre Migräne sich negativ auf ihre berufliche Laufbahn auswirkt.

Weckruf für die Ärzteschaft

Ein gebrochenes Bein sei unübersehbar, die Migräneattacke hingegen finde im abgedunkelten Zimmer statt und werde von Unbeteiligten oft nicht wahrgenommen, sagt Veronika Bäcker von der Migräneliga. Ihre Organisation trete daher Vorurteilen und Halbwissen entgegen und plädiere für mehr Empathie und Aufklärung.

Nach Ansicht von Peter Goadsby, Professor für Neurologie am King‘s College London und Mitautor der Studie, zeigen die Umfrageergebnisse, dass die Erkrankung eine enorme psychische Belastung für die Patienten darstellt. Die Studie sei ein Weckruf für die Ärzteschaft, die Belastung ihrer Migränepatienten ernster zu nehmen und stärker auf eine behutsame Kommunikation zu achten.

Viele Migränepatienten fühlten sich durch Krankheitsbeschreibungen wie »behindernd«, »hartnäckig« oder »chronisch« stigmatisiert, heißt es in der Pressemitteilung. Daher wolle die EMHA noch in diesem Jahr ein neues System zur Kategorisierung der Migräne einführen. Es soll eine präzise Bestimmung des Schweregrads der Krankheit ermöglichen und der Diskriminierung von Betroffenen entgegenwirken. ak