Multiple Sklerose:Gezielter therapieren mit Künstlicher Intelligenz

Parkinson ist nicht heilbar. Aber etliche Studien zeigen: Mit Computereinsatz lässt sich der Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.

Künstliche Intelligenz (KI) ahmt menschliche Fähigkeiten nach, indem sie beispielsweise Informationen strukturiert. Sie verarbeitet große Mengen an Text und Bildern schnell und effizient und findet dabei Muster in den Datenfluten.

»In Aufnahmen von Gehirnen sieht man als Mensch oft den Wald vor lauter Bäumen nicht«, sagt Professor Lars Timmermann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. »Ein KI-System kann aus diesem scheinbaren Chaos Dinge herauslesen, die unter Umständen wichtig sind – sie hilft schlichtweg beim Sortieren.« Das mache Künstliche Intelligenz in der Medizin so nützlich.

Als Direktor der Klinik für Neurologie am Standort Marburg des Universitätsklinikums Gießen und Marburg ist Timmermann mit seinem Team an mehreren Studien beteiligt, die untersuchen, wie Künstliche Intelligenz die Behandlung von Morbus Parkinson unterstützen kann. Weltweit entwickeln Wissenschaftler KI-Anwendungen zu diesem Zweck, und einige von ihnen haben bereits den Sprung von der Forschung in den klinischen Alltag geschafft.

Medikamente richtig dosieren

Bei Parkinson, auch Schüttelkrankheit genannt, sterben allmählich Nervenzellen im Gehirn ab − vor allem solche Zellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Betroffene leiden an steifen Muskeln, verlangsamten Bewegungen und unkontrollierbarem Zittern. Hinzu kommen nicht motorische Symptome wie Stimmungsschwankungen, Depressionen, Verstopfung, Inkontinenz oder ein Verlust des Geruchssinns.

Helfen können Medikamente, welche die Botenstoffe im Gehirn wieder ins Gleichgewicht bringen. Idealerweise lindern sie die Symptome der Krankheit und verursachen kaum Nebenwirkungen. Bei der Suche nach der individuell optimalen Medikamentenkombination und -dosierung können Ärzte sich vielleicht schon bald von KI unterstützen lassen.

Hoffnung macht ein KI-System, das am Polytechnikum Bari in Süditalien entwickelt wurde. Dabei füttern Ärzte die KI mit Daten zum Zustand des Patienten, darunter Blut-, Herz- und Kreislaufwerte, Aufnahmen aus dem Kernspintomographen (MRT) sowie Fotos und Filmaufnahmen. Im Computer entsteht so ein digitales Abbild der Person, ein maßgeschneiderter Avatar. Die KI vergleicht dieses Modell mit den Daten Hunderttausender anderer Parkinson-Betroffener, wie sie die Datenbank der Michael-J.-Fox-Stiftung für Parkinson-Forschung sammelt. Basierend auf diesem Vergleich schlägt das System dann medikamentöse Einstellungen vor und überprüft am Avatar, welche Auswirkungen sie hätten – etwa bei einer höheren Dosierung.

Hilft ein Hirnschrittmacher?

KI kann zudem vorhersagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Patient von einer tiefen Hirnstimulation profitieren würde. Bei dieser Behandlungsmethode werden feine Elektroden ins Gehirn eingesetzt, die elektrische Impulse übertragen und so die Funktionen bestimmter Hirnregionen beeinflussen. Eine tiefe Hirnstimulation kann das für Parkinson typische Zittern und andere Bewegungsstörungen unter Kontrolle bringen. »Bei vielen Patienten hilft ein Hirnschrittmacher auch gegen nicht motorische Symptome – und gerade die schränken die Lebensqualität oft sehr stark ein«, sagt Lars Timmermann.

Zwar lässt sich inzwischen auch ohne KI recht gut absehen, ob eine tiefe Hirnstimulation die Bewegungsstörungen eines Patienten lindern kann. Doch kaum vorherzusehen war bisher ihre Wirkung auf nicht motorische Symptome.

In einer kleinen Studie hat Timmermanns Team jetzt gemeinsam mit Forschenden der Philipps-Universität Marburg und des Universitätsklinikums Köln an 37 Patientinnen und Patienten gezeigt, dass eine KI diese Wirkung aus speziellen MRT-Aufnahmen der Betroffenen prognostizieren kann. »Schon vor der OP, also dem Implantieren der Elektroden, wissen wir nun, ob ein Patient mit nicht motorischen Symptomen von einer tiefen Hirnstimulation mit hoher Wahrscheinlichkeit profitieren wird.« So bleibe Patienten im besten Fall eine Operation erspart, die ihnen voraussichtlich ohnehin keine Besserung bringen würde.

Zielgenau behandeln

»Bei einem Hirnschrittmacher gibt es viele Millionen Einstellungen: Sie entscheiden, an welcher Stelle Strom in welcher Taktung und in welcher Stärke fließt«, sagt Timmermann. Eine KI kann helfen, die beste Justierung für einen Patienten zu finden. Sein Team habe eine Software entwickelt, in welche die Daten Hunderter Patienten geflossen seien, berichtet er. »Entstanden ist quasi eine Landkarte vom Gehirn. Darauf basierend ermittelt die Software, wo bei einem Patienten mit einer bestimmten Hirnkonfiguration und bestimmten Symptomen wahrscheinlich der beste Ort für eine Stimulation ist.«

Beim Einstellen des Hirnschrittmachers helfen auch Sensoren, die an einem Armband befestigt sein können. Die Sensoren erfassen die Bewegungen der Patienten. Eine KI analysiert diese Daten und erkennt etwa, wie flüssig das Gangbild ist. Am Computer lässt sich dann die optimale Elektrodeneinstellung ermitteln.

Frühe Diagnose möglich

KI-Algorithmen können bereits frühe Anzeichen von Parkinson erkennen − weit bevor typische Symptome auftreten. Sie erfassen dabei beispielsweise Sprechmuster, die für Parkinson-Betroffene charakteristisch sind.

Ebenso lässt sich aus unwillkürlichen Augenbewegungen von Erkrankten ablesen, ob ihr Risiko für eine Parkinson-Demenz erhöht ist. Eine solche Demenz tritt bei etwa einem Drittel aller Parkinson-Patienten auf; sie äußert sich in verlangsamtem Denken, Wortfindungs-, oder Gedächtnisstörungen. Lars Timmermann: »Die Information, ob ein Patient vermutlich eine Demenz entwickelt, ist auch für behandelnde Ärzte wichtig.« Sie werden in diesem Fall Medikamente eher meiden, welche als mögliche Nebenwirkung den kognitiven Abbau fördern können – um das Risiko für eine Demenz nicht noch zusätzlich zu steigern.