Demenz:»Es ist wichtig, neugierig und aktiv zu bleiben.«
Gangstörungen gehören zu den häufigsten und belastendsten Symptomen der Parkinson-Krankheit. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich und stellen eine große Herausforderung dar. Doch mit modernen Therapieansätzen und etwas Eigeninitiative lässt sich die Mobilität verbessern und die Selbstständigkeit im Alltag erhöhen.
Der reibungslose Gang ist das Resultat eines fein abgestuften Zusammenspiels von Gehirn, Nervensystem und Muskulatur. Dabei sorgen neben der Bewegungssteuerung Gleichgewicht, Koordination und die Wahrnehmung von Reizen aus dem Körperinneren, die sogenannte Tiefensensibilität, für ein harmonisches Bewegungsmuster.
Warum treten Gangstörungen bei Parkinson auf?
»Die Gangstörungen bei Parkinson gehen auf komplexe Störungen der Bewegungssteuerung im Gehirn zurück«, sagt der Priener Neurologe
Sebastian Schreglmann. Der Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra, einer Region im Mittelhirn, stört die Bewegungssteuerung. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der die Signalübertragung zwischen Nervenzellen unterstützt und reibungslose Bewegungen ermöglicht. Ein Dopaminmangel führt zu Fehlsteuerungen in den motorischen Netzwerken und verursacht die typischen Symptome der Parkinson-Erkrankung wie Bewegungsverarmung, Zittern und Muskelsteifheit, welche durch die Gabe dopaminerger Medikamente effektiv gelindert werden können.
Typische Symptome und Probleme
Schon im frühen motorischen Stadium der Erkrankung zeigen sich erste Gangauffälligkeiten, wie ein verlangsamter Gang mit kleinen, schlurfenden Schritten. »Ein asymmetrischer Armschwung oder eine vornübergebeugte Haltung sind häufig typisch«, sagt Schreglmann. Im Laufe der Erkrankung nehmen die Gangstörungen zu und das Risiko für Stürze steigt – vor allem in Phasen, in denen die Wirkung der Medikamente nachlässt. Im fortgeschrittenen Stadium sei die präzise Dosierung und zeitliche Abstimmung der Medikamente daher entscheidend – auch um sogenannte Off-Phasen, in denen die Wirkung der Medikamente nachlässt, zu minimieren.
Moderne Therapieansätze für mehr Mobilität
Dank intensiver Forschung gibt es heute verschiedene Ansätze, um Gangstörungen gezielt zu behandeln. Die Basis stellt weiterhin die Dopaminersatztherapie mit Levodopa oder Dopaminagonisten dar, die das Dopamindefizit im Gehirn ausgleichen. »Die orale Medikation kann über viele Jahre die Beweglichkeit und damit das Gehen weitgehend normalisieren beziehungsweise relevant verbessern«, sagt Schreglmann. Welche Tabletten in welcher Dosierung zum Einsatz kommen, hängt von dem individuellen Profil und Beschwerden des Patienten ab. Auch ist relevant, ob zusätzliche Aspekte, beispielsweise eine Störung der Tiefensensibilität oder Gelenksfunktion den Gang zusätzlich beeinträchtigen. Bei komplexeren Krankheitsverläufen kommen Pumpentherapien oder eine Tiefe Hirnstimulation (THS) infrage. Diese Methode, bei der Elektroden in bestimmte Hirnregionen implantiert werden, kann motorische Netzwerke durch elektrische Impulse stabilisieren.
Eine der größten Herausforderungen ist das sogenannte Freezing of Gait (FOG). Etwa die Hälfte der Patienten ist im Krankheitsverlauf davon betroffen. Dabei bleiben die Erkrankten plötzlich für einige Momente wie festgeklebt stehen und können nicht mehr weitergehen. Dieses »Einfrieren« tritt häufig auf, wenn der erste Schritt nach einer Gehpause gemacht werden soll, sowie bei Richtungswechseln oder beim Durchqueren von Türrahmen. »Vor allem im fortgeschrittenen Stadium können selbst kleine Hindernisse wie Türschwellen oder Teppichkanten dieses komplexe Phänomen auslösen, was das Sturzrisiko weiter erhöht«, sagt Sebastian Schreglmann. Die Ursachen für das Freezing können bei einer dopaminergen Unterdosierung, aber auch komplexeren Fehlfunktionen in Hirnstamm beziehungsweise Frontalhirn liegen, sodass die Therapie immer individuell abgestimmt werden müsse. »Die THS vermag das Freezing und andere Gangstörungen bei geeigneten Patienten deutlich zu verbessern«, sagt Schreglmann. »Bei schweren Gleichgewichtsstörungen ist sie jedoch weniger geeignet.«
Physiotherapie und Bewegung als Schlüssel
Physiotherapie ist für alle Parkinson-Patienten ein essenzieller Bestandteil der Behandlung – unabhängig vom Stadium der Erkrankung. »Gezieltes Gang- und Gleichgewichtstraining ist besonders sinnvoll, da der menschliche Gang ein fein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener Funktionen ist«, sagt Schreglmann. Programme wie das BIG-Training, das auf große, bewusste Bewegungen setzt, hätten sich als äußerst hilfreich erwiesen. »Leider ist dieses Training noch nicht flächendeckend verfügbar, da die Zertifizierung für Therapeuten sehr teuer ist«, fügt Schreglmann hinzu. Er empfiehlt allen Patienten, mindestens 45 Minuten Physiotherapie pro Woche einzuplanen, aber vor allem die beim Therapeuten erlernten Übungen regelmäßig eigenständig zu Hause umzusetzen.
Gezielte Bewegungen und Alltagshilfen
Erstaunlicherweise sind bei der Parkinson-Erkrankung vor allem automatische Bewegungsabläufe wie das Gehen gestört, während bewusst gesteuerte Bewegungen oft verhältnismässig gut funktionieren. »Es gibt beeindruckende Videos von Patienten, die kaum mehr laufen können, aber dennoch gut Tango tanzen oder Fahrrad fahren«, berichtet Schreglmann. Diese Beobachtungen zeigen, dass es trotz der Erkrankung möglich ist, komplexe neue Bewegungsabläufe zu erlernen – was zudem das Gangbild und die allgemeine Beweglichkeit fördern kann. Daher sind Aktivitäten wie Tanzen oder Tischtennis, die Koordination, Bewegungsabläufe und Aufmerksamkeit erfordern, bewiesenermaßen förderlich.
Auch das ABCDE-Schema, das Bewegungsblockaden wie Freezing adressiert, hat sich im Alltag bewährt. Die Buchstabenfolge steht für Attention (Aufmerksamkeit lenken), Big movements (große, bewusste Bewegungen), Counting (Schritte zählen), Deliberate weight shift (gezielte Gewichtsverlagerung) und External cues (externe Hinweise als Taktgeber nutzen). So kann die visuelle Unterstützung durch einen Laserstrahl, der eine Linie auf den Boden projiziert, beispielsweise den ersten Schritt erleichtern. Diese Laserhilfen können unauffällig an
einem Gehstock angebracht werden. Auch akustische Hilfen, etwa ein Metronom, das einen Takt vorgibt, können das Gehen erleichtern.
Technische Hilfsmittel und Zukunftsperspektiven
Moderne Technik könnte künftig eine Schlüsselrolle bei der Verbesserung der Gangfunktion spielen. »Sensoren zur Bewegungsanalyse bieten die Möglichkeit, Gangstörungen präziser zu erfassen, die Wirkung von Medikamenten besser zu verstehen und die Behandlung beispielsweise mittels Tiefer Hirnstimulation genauer zu steuern«, sagt Sebastian Schreglmann. Großes Potenzial räumt er tragbaren Geräten ein, die kombiniert mit Apps ein detailliertes Bild der alltäglichen Aktivitäten der Patienten liefern und das ärztliche Handeln unterstützen.
Gute Perspektiven für mehr Lebensqualität
Gangstörungen bleiben eine zentrale Herausforderung für Parkinson-Patienten. Doch dank moderner Therapieansätze, gezielter Physio- und Bewegungstherapie sowie technischer Innovationen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Lebensqualität für Betroffene zu verbessern. Sebastian Schreglmann: »Das Wichtigste ist, aktiv zu sein und neugierig zu bleiben – und der Erkrankung entschlossen entgegenzutreten.«