Multiple Sklerose: Unsichtbare Helfer

OKB, KFLC, NfL: Biomarker sind für die Diagnose und Therapie von Multipler Sklerose wichtig. Was steckt hinter diesen Abkürzungen? Und wie aussagekräftig sind solche Laborwerte?

Sie verstecken sich überall: Im Blut, Speichel, Urin oder Nervenwasser, in Zellen und Genen. Biomarker, messbare Stoffe als Zeichen einer Veränderung im Körper, sind für die moderne Medizin unverzichtbar. Sie liefern Hinweise auf Erkrankungen, helfen, diese früh zu erkennen und eindeutig zu diagnostizieren, lassen Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf zu und können zeigen, wie eine Therapie anschlägt.

Entzündungen hinterlassen Spuren

Auch bei der Behandlung von Multipler Sklerose (MS) spielen Biomarker eine große Rolle. Im MRT etwa lassen sich Läsionen im Gehirn sichtbar machen und auch das Labor kann viele Werte beisteuern, die bei der Diagnose und Therapie hilfreich sind. Der wichtigste Laborparameter ist dabei der Nachweis oligoklonaler Banden (OKB). Das sind Eiweiße, die sich bei chronischen Entzündungen des Zentralen Nervensystems im Liquor nachweisen lassen, also in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit. »Man könnte OKB als Spuren einer Entzündung im Gehirn beschreiben«, sagt Professor Bernhard Hemmer, Direktor der Klinik für Neurologie am TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar. Dabei muss nicht unbedingt eine Multiple Sklerose die Ursache sein, der Wert ist auch bei Erkrankungen wie Neuroborreliose erhöht. Aber: »Bei bis zu 95 Prozent der MS-Patientinnen und Patienten sind OKB im Liquor nachweisbar. Das macht sie zu einem wertvollen Biomarker, um die Diagnose abzusichern und von nicht entzündlichen Ursachen wie Migräne abzugrenzen«, erklärt Hemmer. Alternativ zum OKB-Wert kann auch eine Messung von Immunglobulin G (IgG-Index) oder von freien Kappa-Leichtketten weiterhelfen (KFLC-Index) – beide weisen auf eine Überaktivität des Immunsystems im Gehirn hin, wie sie typisch für MS ist.

Neben den bekannten gibt es aber auch einige neue Biomarker, die bisher vor allem in der Forschung genutzt werden. Etwa Neurofilamente (Nf) und Strukturproteine einer bestimmten Art von Gliazellen im Gehirn (GFAP). »Neurofilamente sind Bausteine, die fast ausschließlich in Nervenzellen vorkommen«, erläutert Hemmer. Vereinfacht gesagt, gelangen bei Schädigungen der Nervenzellen winzige Bruchstücke dieser Bausteine ins Blut und Nervenwasser, wo sie Hinweise auf neuronale Schäden liefern können. Insbesondere sogenannte Neurofilament-Leichtketten (NfL) können bei MS-Patienten im Liquor und Blut erhöht sein.

Was verrät das Blut?

In der Wissenschaft spielen Neurofilamente schon länger eine Rolle, etwa um die Wirksamkeit von Therapien zu überprüfen. Gerade bei großen Patientengruppen sind sie ein wertvoller zusätzlicher Parameter für Studien. Auch könnten sie dabei helfen, die Krankheitsmechanismen besser zu verstehen. Wie es mit dem Nutzen für einzelne Patienten in der Praxis aussieht, muss sich aber erst noch zeigen. Es gibt die Hoffnung, dass Neurofilamente dazu beitragen könnten, Therapien stärker zu personalisieren und präziser zu gestalten. Die Idee dahinter ist, dass man das Krankheitsgeschehen durch Bluttests auch abseits der Symptome besser im Blick behalten könnte. Ein erster NfL-Bluttest für Multiple Sklerose wurde 2024 zugelassen, noch ist er aber weder in der Breite der klinischen Versorgung noch in den Leitlinien angekommen.

Auch Neurologe Hemmer empfiehlt, die Erwartungen nicht zu hoch anzusetzen, weil der Wert durchaus mit Einschränkungen einhergeht: »Zum einen ist der NfL-Wert nicht MS-spezifisch, er kann also auch bei anderen Erkrankungen erhöht sein. Außerdem ist er schwer messbar, weil nur sehr geringe Mengen im Blut zu finden sind. Und überdies kann er schwanken, weil ihn neben einer Erkrankung zum Beispiel auch Alter, Gewicht oder sportliche Aktivität beeinflussen.«

Die Suche nach Auto-Antikörpern

Grundsätzlich bescheinigt er Biomarkern aber großes Potenzial, zumal neben Neurofilamenten schon weitere Marker in den Startlöchern stehen. Am spannendsten ist dabei die Suche nach spezifischen Biomarkern, die ausschließlich bei Multipler Sklerose vorkommen. Auto-Antikörper, die körpereigene Strukturen angreifen, stehen dabei besonders im Fokus. Bei anderen Erkrankungen wie Rheumatoider Arthritis oder kindlichem Diabetes spielen sie bereits eine große Rolle. »Es ist durchaus denkbar, dass wir Multiple Sklerose irgendwann vor Ausbruch der Symptome diagnostizieren und stoppen können«, sagt Hemmer. Dafür wäre es nötig, Biomarker zu finden, die den bevorstehenden Ausbruch der Erkrankung anzeigen. Die Suche nach solchen spezifischen Auto-Antikörpern läuft auf Hochtouren und ist eines der wichtigsten Ziele der MS-Forschung. Verläuft sie erfolgreich, könnte das die Therapie revolutionieren und der Medizin neue, mächtige Biomarker bescheren. Hemmer ist diesbezüglich zuversichtlich: »Ich glaube, dass da noch viel kommt.«