Nichtmedikamentöse Therapie der Demenz

Die Diagnose Demenz stellt für Betroffene und Angehörige einen erheblichen, von nun an lebensbegleitenden Einschnitt dar. Eine reine medikamentöse Therapie die wohl Grundvoraussetzung für eine therapeutische Weiterbetreuung ist, ist nicht hinreichend um dieser Diagnose gerecht zu werden. Nicht-medikamentöse Therapieansätze sind zwingend erforderlich.

Hierbei geht es um ein therapeutisches Gesamtkonzept. Dieses beinhaltet wie bereits ausgeführt medikamentöse und nichtmedikamentöse Maßnahmen.

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Konzepte erarbeitet, die die Betreuung von Demenzerkrankten erleichtern und verbessern sollen. Dabei ist das oberste Ziel dieser Konzepte, die Selbstständigkeit der Betroffenen möglichst lange aufrecht zu erhalten.

Das vielleicht elaborierteste Betreuungskonzept wurde von Frau Romero unter anderem im Alzheimer-Therapiezentrum in Bad Aibling entwickelt. Dabei geht es darum, die Demenzerkrankung als systemische Erkrankung zu verstehen, d. h. es ist nicht nur ein Erkrankter der betroffen ist, sonder ein ganzes System von Angehörigen, Freunden und Bezugspersonen. Ausgehend von der Erfahrung dass ein kognitives Training wenig hilfreich ist, wurden Konzepte erarbeitet, die es den Betroffenen und Angehörigen ermöglichen sollen, sich an die veränderten Lebensbedingungen anzupassen.

In Bezug auf den Patienten geht es darum, die Ressourcen und Stärken des Betroffenen trotz seiner Erkrankung heraus zu arbeiten. Dieses soll dann in ein Programm geeigneter Aktivitäten hineinmünden. Wichtig ist hierbei, dass die Wertschätzung durch bestätigende Kommunikation sichergestellt wird.

Aber auch in Bezug auf den Angehörigen gilt es, im Sinne des systemischen Ansatzes vieles zu leisten. Zunächst muss dem Kranken vermittelt werden, dass die Veränderungen bei dem Angehörigen durch die Erkrankung bedingt sind. Hierzu bedarf es einer Aufklärung über das Krankheitsbild an sich. Weiterhin sind Strategien im Umgang mit dem Erkrankten und seinem veränderten Verhalten zwingend zu erlernen. Um das System dauerhaft zu stabilisieren, ist darüber hinaus wichtig, dass pflegende Angehörige Strategien erlernen, um mit den Belastungen dauerhaft erfolgreich umzugehen.

Ein weiterer therapeutischer Ansatz ist die Validation nach Naomi Feil. Das Besondere an der Herangehensweise von Frau Feil ist, dass der Patient in seiner Realität bestätigt werden soll. Dies nennt man Validation. Auch wenn ein Betroffener Dinge anders wahrnimmt als wir das in unserer Realität tun, muss es darum gehen diese subjektive Realität des Patienten zu bejahen.

Dies bedeutet, dass man dem Demenzkranken nicht widerspricht, sondern ihm in seinen Gedanken folgt, Dinge benennt und ihn versucht, weit möglichst zu bestätigen.

Ein therapeutischer Ansatz, der insbesondere zu Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild von Bedeutung war, ist die Realitätsorientierte Therapie. Dabei wurde initial vor allem versucht Fakten und Daten zu vermitteln. Dieser korrigierende Ansatz wurde verlassen. Nun versucht man eine Alltagsrealität zu generieren, die es dem Erkrankten ermöglicht, sich zurecht zu finden.

In jedem Fall hat es sich bewährt, die Biographie des Erkrankten zu erarbeiten und mit den Betroffenen das selbstbezogene Wissen zu untermauern. Gerade professionelle Pfleger, die die persönliche Biographie des Erkrankten nicht kennen, werden durch eine entsprechende Arbeit in die Lage versetzt, den Erkrankten in seiner Persönlichkeit und seinen Besonderheiten wahrzunehmen.

Sehr erfolgreich in der Betreuung Demenzerkrankter sind Maßnahmen im Sinne der Milieutherapie. Dabei muss es darum gehen, das Umfeld des Erkrankten so zu gestalten, dass die Lebensumstände angenehm, vertraut und Sicherheit gewährend sind. Dies gilt natürlich nicht nur für die Umgebung, sondern auch das personelle Umfeld muss positiv gestaltet sein.

Kognitive Strategien müssen mit sehr viel Vorsicht zur Anwendung gebracht werden. Kognitive Strategien können in der Tat geistig aktivierend sein und auch Ressourcen abrufen. Dabei müssen aber Misserfolge vermieden werden, Prüfungssituationen sollen nicht aufgebaut werden.

Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass es wenig hilfreich ist, die Defizite des Erkrankten in den Vordergrund zu stellen. Kognitive Trainingsstrategien müssen vor allem die noch gegebenen Fähigkeiten herausstreichen, stärken und damit konsolidieren, d. h. festigen.

Körperliche Aktivierung und leichtes körperliches Training kann eine Verbesserung der Beweglichkeit und Balance bewirken. Hinsichtlich der Wirkung von körperlicher Aktivierung auf Kognition, Alltagsfunktionen, Schlafverhalten, Depressivität und Mortalität sind die Studienergebnisse uneinheitlich. Zusammenfassend gibt es Hinweise, dass körperliche Aktivierung zum Erhalt der Alltagsfunktionen, Beweglichkeit und Balance beiträgt. Kleinere Studien wie die hier aufgeführte zeigen, dass sportliche Aktivität das Demenzrisiko senken kann bzw. den Krankheitsprogress bremst.

Die Sima-Studie hat die Bedingungen der Erhaltung und Förderung von Selbstständigkeit im höheren Lebensalter (SIMA) untersucht. Es handelte sich um eine interventionelle Studie, die drei verschiedene Trainingsprogramme beinhaltete: Ein Kompetenz-, ein Gedächtnis- und ein Psychomotoriktraining. Neben einzelnen Trainingsprogrammen wurden auch kombinierte Ansätze, bestehend aus Kompetenz- und Psychomotoriktraining bzw. aus Gedächtnis- und Psychomotoriktraining miteinander verglichen. Unmittelbar nach einjähriger Trainingsphase zeigten sich eine Reihe spezifischer Trainingserfolge für Kompetenztraining bzw. Gedächtnistraining und auch für kombinierte Ansätze. Vier Jahre später erwies sich die spezifische Kombination aus Gedächtnis- und Psychomotoriktraining allen anderen einfachen und auch dem kombinierten Kompetenz- und Psychomotoriktraining überlegen.

Neben körperlicher Aktivität hat sich eine Reihe anderer kreativer Therapieformen in der Behandlung der Demenz etabliert. Hierzu zählen die Tanztherapie, die Musiktherapie, die Kunsttherapie und die Dramatherapie. Darüber hinaus finden verschiedene sensorische Verfahren wie die Aromatherapie, Massagen/Berührung, Lichttherapie und multisensorische Verfahren (Snoezelen) Anwendung.

In einer von Verghese et al. publizierten Studie wurde der Einfluss von Freizeitaktivitäten auf das Demenzrisiko untersucht. Hier konnte u. a. nachgewiesen werden, dass aktive Haushaltstätigkeit ebenso wie Tanzen und körperliche Aktivität günstige Effekte haben. Diese Erkenntnisse machen sich die unterschiedlichen künstlerischen Therapien zu Nutze. Sie basieren auf der therapeutischen Interaktion der nonverbalen und prozeduralen Kommunikation. Mittels künstlerischer Medien und Prozesse werden wahrnehmungs- und gestaltungsorientierte Fähigkeiten gestärkt und Ressourcen aktiviert.

Im Umgang mit demenzerkrankten Patienten sollten Wertschätzung, Akzeptanz und Empathie grundsätzliche Motivatoren sein. Dies drückt sich in einer positiven Grundhaltung gegenüber dem Erkrankten aus und hat einen beruhigenden Effekt. Mit fortschreitender Demenz verliert der Erkrankte immer mehr den Bezug zur Realität. Viele Äußerungen beziehen sich auf Erinnerungen und sind für Angehörige oder Pflegepersonal nicht nachvollziehbar. Verletzendes Verhalten sollte keinesfalls als persönlicher Angriff gedeutet werden und ist oft auch ohne jegliche Nachhaltigkeit.

Fehlleistungen sind Bestandteil der Erkrankung. Die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, führt oft zur Verschlechterung der Gesamtsituation, nicht jedoch zu dem erhofften Lerneffekt. Im Rahmen der fortschreitenden Demenz wird der Ablauf der üblichen Alltagstätigkeiten zunehmend langwieriger und komplizierter. Es geschehen Fehler, die Körperhygiene dauert zunehmend länger, der Betroffene verirrt sich auf ihm an sich altbekannten vertrauten Wegen. Entscheidend ist in dieser Situation die Unterstützung zur Selbsthilfe. Keinesfalls sollten dem Demenzkranken alle bisherigen Aufgaben abgenommen werden, vielmehr erleichtern einfache Handlungsroutinen und strukturierte Tagesabläufe dem Erkrankten den Alltag.

Im Krankheitsverlauf bezieht die zunehmende Gedächtnisstörung auch das Wiedererkennen von altvertrauten Personen und Gegenständen mit ein. Dies ist krankheitsimmanent und nicht Ausdruck einer fehlenden Wertschätzung gegenüber den Betreuenden. Angehörige und Pflegepersonal sind hier gefordert, mit viel Geduld immer wieder zu erklären. Unnötiges Korrigieren hat in der Regel nicht den gewünschten Lerneffekt sondern führt vielmehr zur Frustration und damit zur Störung einer konstruktiven Kommunikation zwischen Betroffenem und Pflegendem.

Je weiter eine Demenz fortschreitet, desto schwerer fallen selbst die einfachsten Tätigkeiten. Beim Anziehen kommt es zu Fehlern, Handlungsabläufe wie Körperpflege nehmen zunehmend mehr Zeit in Anspruch, auf kurzen vertrauten Wegen findet sich der Erkrankte nicht mehr zurecht.

Ein entscheidender Faktor ist die sprachliche Verständigung. Hier sollte berücksichtigt werden, dass komplizierte Sachverhalte bzw. kompliziert formulierte Sätze für den Betroffenen häufig unverständlich sind. Die Kommunikation sollte auf einer positiven, auf den Patienten eingehenden Ebene ablaufen. Sätze sollten einfach formuliert und komplexe Handlungsabläufe in einzelne Handlungsschritte unterteilt werden.

Über die sprachliche Kommunikation hinaus spielt auch die nonverbale Verständigung eine wesentliche Rolle. Neben der freundlichen, beruhigenden und empathischen Umgangsform ist auch der visuelle Kontakt und unterstützender Körperkontakt im Sinne einer multisensorischen Stimulation oft hilfreich.

Der Verlust der Orientierungsfähigkeit macht sich zunächst außerhalb der gewohnten Umgebung, später auch in der eigenen Häuslichkeit bemerkbar. Die gestörte Orientierung verunsichert den Demenzkranken in hohem Maße aber sie bezieht sowohl die örtliche als auch die zeitliche Orientierung mit ein. Hier können einfache Hilfestellungen oft schon zum Erfolg führen. Die äußere Umgebung sollte an die Bedürfnisse des Patienten angepasst und für den Patienten sicher gemacht werden.

Der Umgang mit Verhaltensstörungen wie Angst, Hyperaktivität und Aggressivität erfordert oft neben der medikamentösen Therapie auch ein hohes Maß an Engagement und Geduld der betreuenden Personen.

Demenzkranke Menschen können oft unfreundlich und aggressiv erscheinen. Das beruht zumeist darauf, dass Handlungen anderer Personen und Situationen nicht verstanden werden. Die Interaktion mit der gesunden Umgebung gerät zunehmend schwieriger und konfliktreicher. Oft lassen sich Konflikte dadurch vermeiden, dass Angehörige und Pflegende dem Patienten in ruhiger gelassener Form gegenüber treten, den Patienten in keine bedrängende Situation bringen und die mögliche Ursache der Aggressivität herausfinden, um sie zukünftig zu vermeiden. Auch der Selbstschutz der Angehörigen und Pflegenden spielt hier eine wesentliche Rolle. Ggf. muss der Arzt zum Einsatz einer ergänzenden medikamentösen Therapie hinzugezogen werden.

Unruhezustände und Agitiertheit sind ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Demenz. Unter dem Begriff agitiertes Verhalten wird Unruhe mit erhöhter Anspannung und gesteigerter Psychomotorik verstanden. Meist resultieren diese Verhaltensweisen aus dem Eindruck, sich nicht verständlich machen zu können, aus Angst oder dem Gefühl, beeinträchtigt zu werden. Oft helfen bereits Verständnis, eine Änderung der Kommunikationsform, dem Patienten Raum und Zeit geben bzw. ihn beschäftigen. Unterschiedliche Medikamente aber auch Koffein können solche Unruhezustände fördern. Diesbezüglich sollte der Arzt konsultiert und ggf. eine geeignete medikamentöse Therapie eingeleitet werden.

Neben Fehlern bei Alltagshandlungen, Unruhe, Angst und Aggressivität kann es auch zu anderen unpassenden Verhaltensformen kommen, die sowohl die Depressivität als auch paranoides Erleben, gestörte zirkadiane Rhythmik, Enthemmung des Sexualverhaltens und psychomotorische Unruhe umfassen.

Depressivität tritt im Verlauf der Demenzerkrankung in einer Vielzahl der Fälle auf. Auf erste Symptome wie Antriebslosigkeit, Interessenlosigkeit, Niedergestimmtheit und Reizbarkeit sollte frühzeitig geachtet werden. Generell muss gelten, dass eine Vielzahl dieser Symptome der medikamentösen Behandlung bedürfen und auch gut auf eine Behandlung ansprechen. Dies gilt auch für wahnhafte Symptome. Bezüglich der psychotischen Symptome gelingt es in der Regel nicht, Einsicht in das Wahnhafte zu erlangen, somit sollte der Wahn nicht in Frage gestellt, sondern medikamentös behandelt werden.

Schlafstörungen können nicht generell vermieden aber reduziert werden. Dies gelingt durch klare Tagesstrukturen mit ausreichend langen Wachphasen und festen Tag-/Nachtrhythmen und ggf. eine geeignete medikamentöse Therapie.

Enthemmtes Sexualverhalten kann, da gesellschaftlich nicht toleriert, sowohl bei dem Betroffenen als auch den Angehörigen zu Schamgefühl und Unverständnis führen. Es sollte versucht werden, den Betroffenen abzulenken, ihm ein aus der Situation heraus zu führen, seine Privatsphäre zu ermöglichen.

Körperliche Unruhe und ständiges Umherwandern sind Bestandteil der Demenz. Körperlicher Zwang führt zu Ängstigung, Aggressivität und möglicherweise körperlicher Schädigung des Betroffenen und sollte daher streng vermieden werden. Vielmehr ist es wichtig, eine beschützte Umgebung zu schaffen, die den Patienten vor Fehlern und Verletzungen bewahrt.