Spezifische Behandlungsansätze

Depression gezielt Behandeln

Zunächst die spezifischen Behandlungsformen, diese sind:

  • Medikamente (antidepressive und vorbeugende Medikamente)
  • psychotherapeutische Gespräche
  • weitere somatische Verfahren.

Es gibt über 30 Antidepressiva, die sich in acht bis zehn Klassen einteilen lassen. Antidepressiva machen nicht abhängig und verändern nicht das eigene Wesen, sie sollten aber der Bekömmlichkeit wegen schrittweise ein- und ausdosiert werden, auch um Absetzeffekte (verstärkte Wiederkehr der alten Problematik) gering zu halten.

Die meisten Nebenwirkungen resultieren aus dem Rezeptorprofil des Antidepressivum. So sind die alten klassischen Antidepressiva (Trizyklika) noch immer in der Stärke unübertroffen, oft aber nicht mehr Mittel erster Wahl, da sie (zu) viele Rezeptoren ansprechen und daher nebenwirkungsreich sind. Deutlich bekömmlicher und ohne sedierende Effekte ist die SSRI –Klasse, die nur noch einen Rezeptor bedienen. Hier kommt es aber durch u.a. Wirkungsvielfalt im Gehirn auch zu z.T. relevanten Nebenwirkungen. Selbst beim Johanniskraut (Phytopharmakon) sind wichtige Nebenwirkungen zu beachten: Photosensibilität, Enzyminduktion (Unsicherheit bei der Empfängnisverhütung, Marcumarisierung). Das den biorhythmischen Störungsansatz (s.u. zur Chronobiologie) pharmakologisch umsetzende Agomelatin (MASSA-Klasse) hat nach ersten Studien ein Nebenwirkungsprofil nicht höher als Plazebomedikamente auch.

Folie 216Die Behandlungsstrategie beinhaltet

  1. die Behandlung der akuten Depression über das Ansprechen (Response) hinaus bis zur Wiederherstellung,
  2. die Erhaltung der Wiederherstellung (Remission) und
  3. die Rezidivprophylaxe über ein Jahr hinaus.

Zur Prophylaxe kommen neben der Fortsetzung der Antidepressiva auch die Gabe spezifische Phasenprophylaktika in Frage: Lithium, Valproinsäure, Lamotrigin, veraltet: Carbamazepin. Der Schritt zur Phasenprophylaxe sollte gut vorbesprochen werden und auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Medikamente eingegangen werden.

Folie 219Ein Antidepressivum spricht in etwa 70% der Fälle an. Kommt es aber überhaupt nicht zu einem Ansprechen oder nur zu einer teilweisen Wiederherstellung (Response), aber nicht zur vollen Wiederherstellung (Remission), so muss zunächst der Wirkspiegel kontrolliert werden, dann die weiteren Gründe der Therapieresistenz bedacht werden. Danach sollte ein weiteres Antidepressivum einer neuen Klasse oder auch zwei Antidepressiva in Kombination gegeben werden oder weitere Therapieverstärkungsmaßnahmen (Augmentationen) durchgeführt werden (z.B. Lithium, üblich sind auch Neuroleptika, Schilddrüsenhormone in zusätzlicher Gabe).

Als Formen der somatische Behandlung werden die Elektrokrampftherapie (EKT), die Lichttherapie, die Schlafentzugstherapie und die transkranielle Magnetstimmulation verstanden. Die EKT ist ein selbst bei ausgeprägter Therapieresistenz noch hoch effizientes Behandlungsverfahren, dessen Risiko kaum höher liegt als das einhergehende Kurznarkoserisiko. Ziel ist es, künstlich einen großen epileptischen Anfall (Grand-Mal) auszulösen. Die Wirkmechanismen sind unzureichend bekannt, die Wirksamkeit ist hoch und gut gesichert. Diesem Verfahren wird meist mit ängstlichen Vorbehalten begegnet, zudem ist es relativ aufwändig (Narkose, mind. zwei Ärzte etc.). Daher wird es meist nur in besonderen Fällen stationär angewandt. Ohne Anfallsauslösung kommt die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) aus, deren Datenlage zur Wirkstärke noch im Fluss ist.

Folie 228Bei der Wachtherapie (Schlafentzug) kommt es zu künstlichem Wachbleiben ab den frühsten Morgenstunden über den restlichen Tag, was oft zu Stimmungsaufhellung führt, die aber in aller Regel allenfalls für wenige Tage anhält, deswegen man die Behandlung mit einigen Tagen Abstand wiederholt (Behandlungsserien). Der Effekt wird durch einen Mittagsschlaf gelöscht, weswegen dieser zu vermeiden ist. Ebenso wie die Wachtherapie ist auch die Lichttherapie ein Verfahren, das Einfluss auf chronobiologische Abläufe nimmt. Der Effekt baut sich über ein bis zwei Wochen auf und ist relativ anhaltend.

Folie 238Psychotherapie ist der Versuch eine Veränderung von Erleben und Verhalten herzustellen. Die häufigste Psychotherapie ist die Gesprächstherapie, aber es gibt aber auch andere Ansätze: Körpertherapie, Musiktherapie, Kunsttherapie, Hypnotherapie, Tanztherapie u.v.m. Alle Therapieformen zielen mehr oder minder darauf ab, durch Verstehen, Übung oder neue (Beziehungs-)Erfahrungen die depressiven Symptome zu reduzieren und aufzulösen sowie gesunde Bereiche zu nutzen und zu fördern. Wie in der somatischen Heilkunde auch (Schulmedizin, Naturheilkunde, Traditionell Chinesische Medizin, Homöopathie) gibt es auch in der Psychotherapie verschiedene Denkwesen (Schulen, Verfahren). Von den gesetzlichen Kassen anerkannt sind Verhaltenstherapie und die Tiefenpsychologie, zu der auch die Psychoanalyse gehört. Häufige Inhalte in der Behandlung sind Verlustbewältigung, Selbstwert, Aggression, Hilflosigkeitserleben, depressive Gedankenmuster, Verlust von stärkenden Erfahrungen und Begegnungen (allgemeine und soziale Aktivierung).

Während das Vorgehen hier wenig vorgegeben ist, zeichnen sich störungsspezifische Methoden dadurch aus, dass Inhalte und Verlauf stärker vorgegeben sind (Therapieprogramme). Spezifische depressive Therapiemethoden sind z.B. die Interpersonelle Psychotherapie oder die CBASP.