Diagnose
Verschiedene Methoden bringen Gewissheit
Bei der Multiplen Sklerose werden Phasen erhöhter Krankheitsaktivität jeweils als «MS-Schub» bezeichnet. Ein Schub ist die Folge von einem oder mehreren neuen entzündlichen Herden oder einer Aktivierung schon früher aufgetretener Herde, die zwischenzeitlich keine Beschwerden mehr vorgerufen haben. Um von einem «Schub» zu sprechen, müssen folgende Definitionskriterien beachtet werden:
- Krankheitszeichen, die …
- … sich innerhalb von Stunden oder Tagen entwickeln
- … länger als 24 Stunden andauern
- … mit einem Abstand von mindestens 30 Tagen zum letzten Schub auftreten
- … nicht von Fieber oder anderen Infekten begleitet sind
Die notwendigen Untersuchungen zur Diagnosesicherung einer Multiplen Sklerose können heutzutage alle ambulant durchgeführt werden. Neben der Anamnese und der neurologischen Untersuchung kommen der Kernspintomographie, der Liquordiagnostik und der Elektrophysiologie eine erhebliche Bedeutung zu.
Bei der Anamnese, also der Befragung des Patienten und der Angehörigen, wird auf mögliche Frühsymptome geachtet, um somit möglicherweise bislang nicht erkannte Schübe in der Vergangenheit in die diagnostische Abklärung mit einbeziehen zu können. Art, Beginn und Dauer der aufgetretenen Symptome bzw. neurologischen Symptomatik sind ebenso von Bedeutung wie eine möglicherweise vorliegende familiäre Belastung. Für die Gesamtberatung und -behandlung des Patienten ist es wichtig, auch dessen persönliche Lebensgeschichte und soziale Einbettung zu kennen.
Bestandteile der umfassenden, vom neurologischen Facharzt vorzunehmenden klinischen Untersuchung des Patienten sind, neben einer allgemeinen körperlichen und psychiatrischen Untersuchung, insbesondere eine ausführliche neurologische Untersuchung. Hierbei wird der Neurologe die Hirnnerven, die Motorik, die Muskeleigenreflexe, die Fremdreflexe, die Sensibilität und die Koordination prüfen.
Evozierte Potentiale sind bei der Diagnosestellung der Multiplen Sklerose wichtig. Evozierte Potentiale stellen spezialisierte neurophysiologische Untersuchungen des neurologischen Facharztes dar. Mithilfe der evozierten Potentiale werden unterschiedliche neuronale Bahnsysteme überprüft. MEP heißt motorisch evozierte Potentiale, SEP heißt sensibel evozierte Potentiale, VEP heißt visuell evozierte Potentiale und AEP heißt akustisch evozierte Potentiale. Die Sensitivität in Hinblick auf die Multiple Sklerose ist je nach Untersuchung unterschiedlich.
Durch die Lumbalpunktion kann Liquor («Nervenwasser») entnommen werden. Entgegen der landläufigen Meinung wird bei diesem Verfahren nicht das Rückenmark punktiert, da im Bereich der Punktion kein Rückenmark vorhanden ist.
Die Untersuchung wird in der Regel ohne Lokalanästhesie ambulant durchgeführt. Das gewonnene Nervenwasser wird auf die Anzahl der Zellen, den Eiweißgehalt und verschiedene Parameter getestet, die Aufschluss über die Art des vermuteten immunologischen Geschehens oder andere Erkrankungen geben können. Ferner wird nach spezifischen Erregern (z. B. Borrelien zum Ausschluss einer Borrelien-Infektion) geschaut. Eine durch spezielle Viren und Bakterien verursachte entzündliche Veränderung des Nervenwassers muss ausgeschlossen werden. Ein Erreger darf nicht nachgewiesen werden, sonst ist die Diagnose einer Multiplen Sklerose nicht möglich.
Besondere Bedeutung bei der Diagnostik der MS hat die Kernspintomographie. In der Kernspintomographie werden verschiedene Aufnahmetechniken («Sequenzen») gefahren, bei denen sich die MS-Herde unterschiedlich darstellen. Hierbei sind zwei verschiedene Sequenzen, die so genannte T1- und T2-Wichtung dargestellt. In der T2-Wichtung kommt der Liquor, also das Nervenwasser, hell, in der T1-Wichtung dunkel zur Darstellung. Für den Radiologen und Neurologen kann durch Vergleich der unterschiedlichen Aufnahmetechniken die Diagnosesicherheit erhöht werden. Die Gabe von Kontrastmittel (Gadolinium in der MRT) ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. In der Abbildung rechts zeigte sich eine ringförmige Kontrastmittelaufnahme als Ausdruck des aktiv entzündlichen Geschehens mit einer Störung der Blut-Hirn-Schranke. Das Kontrastmittel wird über die Venen injiziert und muss die Blut-Hirn-Schranke überwinden, um sich anreichern zu können. Bei Gesunden oder nicht aktiven Herden findet keine Kontrastmittelanreicherung statt.
Die so genannten McDonald-Kriterien beschreiben es vor allem um den Nachweis einer zeitlichen und räumlichen Verteilung (Dissemination) von Läsionen sowie den Ausschluss anderer Ursachen. Diese Diagnosen stützt sich insbesondere auf Ergebnisse der Magnetresonanztomographie.