Therapietreue

Das «A» und «O» der Behandlung

ComplianceVon entscheidender Bedeutung ist die Therapietreue (med. Compliance) des Patienten, d. h. seine Bereitschaft, bei den diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen mitzuarbeiten. Bei einer Nutzen-Risiko-Abwägung sollten die Patienten bedenken, dass MS auch dann fortschreitet, wenn sie keine Symptome verspüren und das Gefühl haben, eigentlich gesund zu sein.

Diese «Gesundfühl-Falle» ist ein gewichtiger Grund, dass viele Patienten die Therapie vernachlässigen und damit den Fortlauf der Erkrankung nicht abbremsen.

Auch gegenüber Freunden oder dem sozialen Umfeld wird die Erkrankung in dem Maße tabuisiert, dass sie, so gut es geht, aus dem Alltag verdrängt wird.

Die generelle Einstellung des Patienten gegenüber seiner Gesundheit ist ebenfalls sehr entscheidend für die Motivation, an einer Therapie mitzuwirken. Gerade bei jungen Menschen, bei denen das Gefühl von «Unversehrtheit»  vorherrscht, hat eine Erkrankung wie MS keinen Platz im Denken. Schließlich deckt sich die Therapieerwartung («Ich werde gesund.») nicht mit den Therapiezielen (das Fortschreiten der Krankheit zu verzögern). Auch die Angst oder das Spüren von Nebenwirkungen lässt viele Patienten zweifeln, ob sie dauerhaft einer medikamentösen Therapie zustimmen können.

Die Einsicht, krank zu sein und vielleicht ein Leben lang eine Therapie zu benötigen, ist für viele Patienten zunächst sehr schwer. Ziel ist, dass sie zum Experten der Erkrankung werden, d. h. dass sie sich sehr detailliert mit dem Wesen der Erkrankung und den Behandlungsmöglichkeiten auseinandersetzen. Aus dieser Warte heraus fällt es ihnen leichter, die Gefahrenmomente zu erkennen, die sich aus einer Therapieverweigerung ergeben. Weiter sind sie dann in der Lage, ihre eigenen Zweifel und Ängste zu erkennen, die sie mit der Therapie verbinden. Da nach heutigem Kenntnisstand nur eine konsequente und anhaltende medikamentöse Therapie Erfolg bietet, sollten sie ein Bündnis mit dem Arzt schließen und sich ggf. auch einer Selbsthilfegruppe anschließen. Schließlich wird ihre Einstellung zur Therapie auch dadurch geprägt, wie sehr sie bereit sind, die Krankheit anzunehmen, d. h. sie sollten sich mit dem Gedanken, chronisch erkrankt zu sein aktiv auseinandersetzen. Es setzt damit ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, der ihnen den Umgang mit MS erleichtert. Risiko und Nutzen der Therapie müssen gegeneinander abgewogen werden («Was wäre, wenn die Behandlung nicht durchgeführt würde?»).