Behandlung begleitender Krankheitszeichen

Schmerztherapie

SchmerzmannSchmerzen sind häufige Begleiter einer MS. Daher muss im Behandlungsfächer auch eine moderne, zielgerichtet und symptomorientiert Schmerztherapie enthalten sein. Relativ häufig kommt es beispielsweise bei MS-Patienten zu einer Trigeminusneuralgie. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung tritt diese mit einem 37-fach erhöhtem Risiko bei MS-Patienten auf. Eine Trigeminusneuralgie kann erfolgreich medikamentös mit Medikamenten, die die elektrische Erregbarkeit von Nervenzellen dämpfen, behandelt werden, wenn man diese Gesichtsschmerzen richtig diagnostiziert.

Auch Spasmen können Auslöser von (Muskel-) Schmerzen sein. Wichtig bei der Behandlung einer Spastik sind daher unter anderem Krankengymnastik und gegebenenfalls auch eine medikamentöse Therapie, die sich gegen die Verkrampfung und damit auch gegen Schmerzen richtet.

Fatique-Therapie

FatigueBis zu 86 % aller Patienten leiden zumindest zeitweilig unter dem Symptom Fatigue. Typisch für Fatigue ist eine abnorme Ermüdung, die die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen kann.

65 % aller Patienten halten Fatigue für eines der schlimmsten Symptome der MS und 30 % der Patienten erfahren Fatigue als das am meisten beeinträchtigende Symptom der MS. Fatigue nimmt mit dem Alter der Patienten zu, wobei Männer und Frauen gleichermaßen betroffen sind.

Hilfe bringt hier gegebenenfalls das Vermeiden von Hitze oder zum Beispiel auch eine Kühlung des Körpers. Eine Erklärung für die Wirkung dieser Maßnahmen kann das etwas später beschriebene Uhtoff-Phänomen sein.

Mäßiges körperliches Training, sowie Physio- und Ergotherapie sollten ebenfalls als Basismaßnahmen durchgeführt werden.

Die Behandlung von Schlafstörungen sowie einer die Fatigue begleitende Depression sind weitere wichtige Maßnahmen. Auch eine medikamentöse Therapie, z. B. mit Amantadin, oder der Einsatz des antriebssteigernden Medikaments Fluoxetin kann bei Fatigue eine Besserung bringen.

Therapie des Uhthoff-Phänomens

Ein relativ häufiges Symptom bei Multipler Sklerose ist das Uhthoff-Phänomen. Dies bedeutet eine Zunahme von Schwäche oder Sensibilitätsstörungen bei körperlicher Anstrengung, einer hohen Umgebungstemperatur, z. B. in einem warmen Wannenbad oder Sauna, sowie bei Fieber.

Betroffen sind mehr als 80 % der an MS erkrankten Menschen. Als Ursache wird eine temperaturbedingte Verschlechterung der Leitfähigkeit demyelinisierter Axone angenommen.

Durch Absenkung der Körpertemperatur oder durch Erholungspausen, auch durch konsequentes nicht überforderndes Training  kann möglicherweise eine Besserung erzielt werden.

Therapie von Blasenfunktionsstörungen

BlaseFunktionsstörungen der Blase sind häufige Folgeerscheinungen in späten Stadien der Erkrankung. Die Störungen können unter anderem als häufiger Harndrang, unwillkürlicher Harnabgang (Inkontinenz) oder als Blasenentleerungsstörung (inkomplette Entleerung) auftreten und wirken sich besonders negativ auf die Lebensqualität aus. Vor allem die Angst  durch Geruch oder andere Zeichen der Blasenschwäche aufzufallen führt häufig dazu, dass sich die Betroffenen sich mehr und mehr zurückziehen.

Ziele der Behandlung sind unter anderem, dass der Patient keinen ständigen Harndrang hat, die Kontinenz wiederhergestellt und die Blasenkapazität erhöht wird. Um vor allem langfristige Komplikationen, wie chronische Harnwegsinfekte oder Nierensteine, zu vermeiden, ist die Verminderung des Restharns von besonderer Bedeutung.

Neben verschiedenen Medikamenten (die nach klarer auch urologischer ergänzender diagnostischer Einordnung eingesetzt werden können) ist auch ein Training des Beckenbodens in der Regel sehr hilfreich.

Therapie sexueller Funktionsstörungen

AmorDie sexuelle Funktion und das Erleben spielt sich in erster Linie im Gehirn ab. Daher kann bei MS auch das sexuelle Erleben betroffen sein. Wichtig ist, dass bei Auftreten sexueller Störungen möglichst rasch ein Arzt des Vertrauens, am besten von beiden Partnern, angesprochen wird. Denn je länger dieses Thema tabuisiert bleibt, umso stärker leidet die Partnerschaft. Durch eine Untersuchung kann abgeklärt werden, ob eine körperlichen Funktionsstörungen vorliegt oder ob die «Lust-Zentren» in Gehirn/Rückenmark durch MS beeinträchtigt sind. Wichtig ist auch die Frage, welche Medikamente der Patient derzeitig einnimmt, denn diese können ebenfalls die sexuelle Funktion und das Lustempfinden einschränken.

Da eine sexuelle Dysfunktion die Lebensqualität erheblich einschränken kann, sollten – je nach Ursache der Störung – verschiedene Lösungsansätze erprobt werden. Im Mittelpunkt steht hierbei die offene Aussprache mit dem Partner, so dass beide die gegenseitigen Erwartungen und Wünsche kennen und berücksichtigen können.

Therapie des Tremors

HandTremor ist der medizinische Begriff für Zittern. Er betrifft bei der MS häufig die Hände, z. B. wenn man gezielte Bewegungen ausführen möchte, um aus einem Glas zu trinken. Er kann aber auch den ganzen Körper betreffen und beeinträchtigt dann auch das Stehen und Gehen.

Zur Bewältigung im Alltag haben sich bestimmte physikalische Hilfsmittel wie ergonomische Werkzeuge oder autogenes Training bewährt. Auch das Absetzen von tremorauslösenden Substanzen, wie Koffein oder Medikamenten, wie Lithium, Valproinsäure oder bestimmter Antidepressiva ist hierbei eine hilfreiche Maßnahme. Bei der medikamentösen Behandlung eines Tremors werden in der Regel Beta-Blocker, Carbamazepin, Isoniazid und Hydroxytryptophan eingesetzt.

Therapie von Spastik

Unter dem Begriff «Bewegungsstörungen» werden verschiedene motorische Einschränkungen zusammengefasst, die alle auf die Weiterleitung von Nervenimpulsen durch die MS-bedingten Nervenschäden beruhen. Bewegungsstörungen gehören zu den häufigsten Symptomen der Erkrankung.

Bei der Behandlung von Bewegungsstörungen ist neben der medikamentösen Therapie eine regelmäßige und oft eingesetzte Krankengymnastik ein wichtiger Baustein. Hier geht es vor allem darum, die Muskelspannung, sprich Muskeltonus, zu regulieren und eine Körperstabilisierung zu erzielen. Auch ergotherapeutische Maßnahmen, wie der Einsatz bestimmter Hilfsmittel, können den Alltag mit Bewegungsstörungen erleichtern.

SpastikEin häufiges Symptom der MS ist eine Spastik, die sich in einer – Steifigkeit in den Armen und Beinen (Tonuserhöhung) äußert. Arme und Beine können bei Spastik nur sehr zäh, wie gegen einen Widerstand, bewegt werden. Spastik kann sehr schmerzhaft sein.

Bei einer Spastik kann zwischen Minus- und Plus-Symptomen unterschieden werden. Bei den Minus-Symptomen stehen Lähmungserscheinungen, Versteifung der Gelenke, leichte Ermüdbarkeit oder Störung der Feinmotorik im Vordergrund. Plus-Symptome hingegen zeigen eine Übererregbarkeit und extrem erhöhte Muskelspannung, die eine aktive Gelenkbewegung unmöglich machen. Bei der Behandlung der Spastik ist regelmäßige Krankengymnastik ein sehr wichtiger Baustein. Bedeutsam bei der Behandlung einer Spastik ist, diejenigen Faktoren zu behandeln (wie Schmerzen, Fieber oder Harnwegsinfekte), die die Spastik verstärken können. Auch sollte in diesem Zusammenhang bei nachhaltig mobilitätseingeschränkten Patienten besonders auf das erhöhte Risiko des Wundliegens mit Druckgeschwüren  geachtet werden.

Bei der medikamentösen Therapie ist es wichtig, eine Verminderung der Spastik zu erreichen und gleichzeitig die Muskelkraft zu erhalten. Die Behandlung muss daher sehr individuell nach dem Schweregrad ausgerichtet sein.

Das Medikament Baclofen wird häufig im Rahmen einer Spastikbehandlung eingesetzt. Hierbei sollte immer auf eine langsame Dosissteigerung bzw. Absenkung geachtet werden.

Das Medikament kann in gewissen Fällen auch mithilfe einer Pumpe zugeführt werden. Eine solche Pumpe zur dauerhaften Gabe von Baclofen in das Nervenwasser wird aber nur dann implantiert, wenn durch eine vorgezogene Probebehandlung die Wirksamkeit bewiesen wird. Hierbei wird durch eine Lumbalpunktion Baclofen in das Nervenwasser gespritzt und der Effekt bzw. die Zufriedenheit des Patienten überprüft. Erst nach der erfolgreichen Probebehandlung wird über eine Implantation der Pumpe entschieden.

Weitere Medikamente, die zur Behandlung einer Spastik eingesetzt werden, sind Tizanidin und Gabapentin. Auch mit Tolperison steht ein gutes Medikament zur Verfügung, um eine Spastik zu lindern.

Neu auf dem Markt ist seit 2011 Sativex, ein über die Mundschleimhaut aufgenommenes, als Spray appliziertes Medikament. Es ist ein Extrakt aus Cannabisblättern und -blüten, und enthält Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol. Das Medikament muss auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden.

Der Extrakt führt zu einer dosisabhängigen Reduktion der Steifigkeit der Gliedmaßen und zur Verbesserung der Motorik bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik. Eine Abhängigkeit und halluzinogene Effekte sind nicht zu erwarten. Vorsicht ist geboten, wenn man mit diesem Medikament ein Fahrzeug steuert – im Falle eines Drogenscreenings durch die Polizei sind Cannabinoide nachweisbar, was zu Problemen führen kann. Studien, die die anhaltende Fahrtüchtigkeit unter Sativex untersuchen, sind inzwischen mit positivem Ergebnis abgeschlossen – ein Ausweis, der die medizinische Indikation und Anwendung des Medikaments bestätigt kann über den behandelnden Neurologen bezogen werden.

Therapie von Gangstörungen

Seit 2011 ist Fampyra für MS Patienten mit einem EDSS zwischen 4 und 7 verfügbar. Es handelt sich um die in retardierter Form vorliegende Substanz Fampridin. Dieses wirkt an den demyelinisierten (MS-geschädigten) Nervenfasern membranstablisierend; es reduziert den Ausstrom von Kaliumionen. Wohl dadurch wird die Signalübertragung über Nerven normalisiert. Bei etwas mehr als 30% der mit Fampyra behandelten Patienten ist eine deutliche Verbesserung des Gehens zu erreichen.

Zu beachten ist der Einfluss des Medikaments auf die Krampfschwelle, weshalb man den behandelnden Neurologen auf die Ableitung eines EEGs vor und während der Behandlung ansprechen sollte.